Lesen, Feiern, Theater: Unser Wochenende in Bildern 17./18. November 2018

Dieses Wochenende waren wir wieder zu Hause in Berlin. Ein Herbstfest im Kindergarten, gemütliche Lesestunden zu Hause, überraschende Worte der Tochter und zwei verschiedene märchenhafte Puppentheater haben uns herbstliche Gefühle verschafft.

Samstag, der 17. November 2018

Vor unserer Haustür leuchtet es in vielen Farben. Manche Bäume sind schon ganz entblättert, andere tragen noch. Wir sehen die Elstern in den kahlen Zweigen herumhüpfen. Der Winter und die Zeit fürs häufigere Drinnen- und „Insichsein“ kündigt sich jetzt deutlich an.

Die große Tochter ist ein bisschen krank. So bleiben wir den ganzen Vormittag schön drinnen und lesen vor: „Charlie und die Schokoladenfabrik“ von Roald Dahl. Ich habe vor kurzem eine Ausgabe des Werkes antiquarisch erstanden; die gleiche, die ich als Kind besessen und wegen der feinen Schwarz-Weiß-Illustrationen geliebt habe. Ich suche seit Jahren eine neue, schön illustrierte Ausgabe dieses großartigen Werkes. Und habe mich nicht selten gewundert, dass es im Buchhandel seit Jahren keine hochwertige Hardcover-Ausgabe, sondern nur eine hässliche Taschenbuch-Ausgabe gibt. Deswegen habe ich kürzlich einfach meine alte Ausgabe im Online-Antiquariat erstanden. Ich will hinzufügen, dass ich sämtliche Verfilmungen der „Schokoladenfabrik“ grässlich finde, auch die neueste mit Johnny Depp. Diese ganz besonders, ehrlich gesagt. Sie werden der literarischen Vorlage in keinster Weise gerecht. Ich habe visuell und emotional etwas vollkommen anderes vor Augen und im Herzen, wenn ich das Buch lese, als diese überbunte, überladene, übertriebene Welt, die in den Filmen inszeniert wird. Das Buch handelt ja zur Hälfte nur von Charlie und seiner Familie, von seiner Armut, seiner Sehnsucht nach Schokolade, nach Sättigung und der Suche nach den goldenen Eintrittskarten. Wie Charlie schließlich doch in letzter Minute noch eine der goldenen Eintrittskarten findet, ist dramaturgisch so glänzend gemacht von Roland Dahl. Einfach ein großartiges Stück Kinderliteratur, das dringend eine sensible, europäische Verfilmung braucht. Und zwar eher im visuellen Stil von „Die Stadt der verlorenen Kinder“, also nostalgischer, weniger grell und realistischer.

Meine Kinder sind übrigens beide total begeistert von der Geschichte und schreien tatsächlich eine Minute lang vor Begeisterung, als der halb verhungerte Charlie endlich überraschend die goldene Eintrittskarte findet.

Am Nachmittag ist Herbstfest im Kindergarten. Mein Mann und die große Tochter bleiben zu Hause. Die großen Kindergartenkinder wie meine kleine Tochter haben einen Verkaufsstand und verkaufen Muffins und andere Kleinigkeiten. Unsere liebe gute Erzieherin passt nebenbei auf, dass jeder mal drankommt.

Alle Kinder tragen zur Feier des Tages rote Zwergenmützen, die wir im Bastelkreis genäht haben.

Die Tische sind zauberhaft herbstlich dekoriert.

Das Buffet biegt sich unter den köstlichen Kuchen und pikanten Leckereien, die die Familien mitgebracht haben.

Auf dem Jahreszeitentisch passen die Zwerglein auf die Laternen auf.

Die Kinder dürfen schon ganz weihnachtlich Lebkuchen verzieren.

Der Höhepunkt für die Kinder ist das Puppenspiel „Das Laternenmädchen“, das von den Erzieherinnen vorgespielt wird. Hier werden gefilzte Puppen vor den Augen der Kinder in der aufwändig aufgebauten Kulissen aus Tüchern und Naturmaterialien bewegt, während eine Geschichte erzählt wird. Die Kinder sind vollkommen gebannt und machen während der Vorstellung keinen Mucks.

Draußen brennt ein Feuer. Zum Abschluss versammeln sich alle um das Feuer. Wir singen alle zusammen ein Abschlusslied und gehen dann ganz beglückt nach Hause; wir mit dem Fahrrad.

An einer Ampel steht neben uns auf dem Bürgersteig eine Gruppe halbwüchsiger Mädchen. Sie haben alle einen roten Herz-Luftballon in der Hand. Ich weiß adhoc, die kleine Tochter möchte unbedingt auch so einen haben. Ich spreche eins der Mädchen an: „Entschuldigung, wo habt Ihr die Luftballons bekommen?“ Das Mädchen antwortet, schaut aber etwas irritiert: „Die gab es im Nagelstudio vorhin.“ Ich: „Ich frage, weil meine Tochter auch gern so einen Ballon hätte.“ Und da schenkt das Mädchen meiner Tochter doch glatt ihren eigenen Luftballon. Die Tochter ist selig. Als wir weiterfahren, sagt die Tochter: „Dieses Mädchen kommt ganz sicher mit vielen guten Wünschen in den Himmel. Und sie bekommt im Himmel alles, was sie sich wünscht. Denn wenn man eine gute Tat vollbringt, kommt man in den Himmel. Dort kann man alles sein, was man will.“ Ich rätsele ein wenig, wo sie das mit dem himmlischen Belohnungssystem herhat, denn von uns hat sie das so sicher nicht.

An der nächsten Ampel sagt meine Tochter zu mir: „Liebe gute Mama, ich würde sämtliche Krankheiten auf mich nehmen, wenn Du dafür leben darfst und nicht stirbst.“ Wortwörtlich so sagt sie das. Ich bin reichlich baff über ihre Ausdrucksweise. Und natürlich auch bewegt von ihren Worten.

Die Kinder werden verköstigt und gehen früh ins Bett. Wir haben noch Besuch zum Abendessen und verbringen einen schönen Abend ganz unter Erwachsenen.

Sonntag, der 18. November 2018

Um 6 Uhr früh ist hier schon Bambule. Die Kinder spielen und bekommen Pfannkuchen mit Apfelmus; ich esse lieber gutes Gewürzbrot mit Käse und Tomaten – und dem letzten frischen Thymian aus dem Garten.

Vor dem Küchenfenster verlieren heute die Schneeball-Sträucher in Windeseile ihre Blätter. So als hätten sie nur heute Zeit, alle Blätter loszuwerden. Fast jede Sekunde segelt ein Blatt herunter.

Wir lesen wieder den ganzen Vormittag „Charlie und die Schokoladenfabrik“ und schaffen es tatsächlich bis zum Ende. Dann wird gemalt. Hier hat die kleine Tochter mich gemalt, „mit warmem Pelz“, wie sie sagt.

Zwischendurch gibt es ein wenig Ärger zwischen den Kindern beim Spiel. Sie kabbeln sich. Plötzlich bricht die kleine Tochter in Tränen aus: „Ich möchte mit Fantasie spielen! Andere Spiele machen mir nicht so Spaß. Jetzt bin ich Kind und kann mit Fantasie spielen. Später als Erwachsene bin ich groß und muss mich um meine Kinder kümmern, da kann ich nicht mehr mit Fantasie spielen…. und im Kindergarten ist niemand, mit dem ich mit Fantasie spielen kann. Julia*) kann nicht mit Fantasie spielen, und Lisa*) auch nicht. Und Ellen*) ärgert mich immer. Deswegen vermisse ich im Kindergarten Lydia*) so sehr und bin ganz traurig, denn es macht mir keinen Spaß, ohne Fantasie zu spielen….“ Lydia*) ist ihre liebste Freundin; sie geht aber leider in einen anderen Kindergarten. Und nachdem meine Tochter es mir in ihren Worten erklärt hat, verstehe ich nach einer Weile, was sie mit „mit Fantasie spielen“ meint. Ich gehe eigentlich davon aus, dass jedes Spiel mit Fantasie zu tun hat, aber die Tochter scheint da zu differenzieren: Mit Fantasie spielen bedeutet für sie, sich in fantastische Welten hinein zu träumen, die es „in echt“ nicht gibt, und in Rollen zu schlüpfen, die man in der „echten Welt“ nicht sein kann: Einhorn, Meerjungfrau, Hexe oder Räuber zum Beispiel. Im Gegensatz zu „realistischen“ Spielen wie Vater-Mutter-Kind, Arzt, Einkaufen, Verreisen usw. Mir war gar nicht klar, dass meine Tochter diese fantastische Art Spiel am liebsten hat, dass sie da überhaupt so genau unterscheidet, und dass sie genau weiß, wer aus dem Kindergarten „mit Fantasie“ spielen kann und wer nicht.

Ich lasse die Tochter erzählen und weinen und halte sie auf meinem Schoß. Nach einer kleinen Weile schnupft sie einmal doll und ist ganz plötzlich wieder fröhlich. Ich habe gar nichts weiter gesagt, ihr keine Vorschläge gemacht und nicht darauf gedrängt, dass sie zu weinen aufhört. Ich war nur da und habe ihr ihre Gefühle gelassen, nur einmal nachgefragt, was sie meint. Es ist meiner Auffassung nach nicht schlimm, wenn Kinder traurig sind – jeder Mensch ist manchmal traurig und das darf absolut sein. Sie brauchen nur jemanden, der da ist und ihnen ihre Gefühle lässt, sie nicht „wegreden“ oder beenden will. So können sie ihre Gefühle selbst verarbeiten und überwinden. Bei meiner Tochter ist die traurige Stimmung so nach kurzer Zeit wie weggeblasen, und sie macht wieder Scherze.

*) Namen abgeändert.

Später suchen die Kinder draußen Schneebeeren und lassen sie unter den Schuhsohlen zerplatzen.

Als es dunkel wird, fahren wir mit den Rädern zu einer Stabpuppen-Aufführung von „Schneeweißchen und Rosenrot“. Eine wunderschöne, sogar die Erwachsenen verzaubernde Aufführung mit exquisiten handgemachten Stabpuppen, liebevoll gemalten Kulissen, Live-Musikbegleitung mit Cello und Geige und sprachlich hervorragend inszeniertem Text.

Zu Hause wünschen die hungrigen Kinder sich zum Abendessen Kartoffeln, Quark und Leinöl mit Tofu-Würstchen. So neigt sich nun ein gemütliches Wochenende dem Ende zu. Nun gehen die Kinder ins Bett, und ich freue mich darauf, noch ein bisschen zu nähen. Eine Puppe benötigt noch ein Kleid.

Ich hoffe, alle LeserInnen hatten auch ein schönes Wochenende mit herbstlichen Gefühlen! Ich freue mich übrigens, wenn Ihr kurz kommentiert, damit ich mitbekomme, ob das überhaupt jemand liest. Ich nutze nämlich Google Analytics nicht.

Mehr Wochenenden in Bildern von anderen Familien finden sich bei Susanne Mierau von Geborgen Wachsen.

Facebookpinterestmail

15 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ich lese immer sehr gerne Deine Beiträge und bin immer ganz entsetzt, wenn Du Dich fragst, ob diese auch gelesen werden. Ich freue mich immer sehr darauf und mag Deine Art zu schreiben sehr gerne! Liebe, unbekannte Grüße Svenja

  2. Lieben Dorothee, wie schön zu hören! Ich freue mich, dass es Dir gefällt! Mir macht es ganz viel Spaß, das zu schreiben und die Fotos auszuwählen usw. Dann ist es umso schöner, wenn es auch gelesen wird! Liebe Grüße an Dich!

  3. Oh ja, ich lese gern bei dir!
    Ich freue mich jede Woche auf deine Texte und Bilder. Sie vermitteln Wärme, Achtsamkeit und Wertschätzung für eure Familie und die Natur. Das ist ansteckend. Danke dafür!

  4. Ich lese immer und am liebsten deine Wochenenderlebnisse. So schöne Bilder und so hach- harmonisch, auch wenn auch bei euch durchklingt, dass es auf und abs gibt.
    Lieben Gruß aus dem kalten Süden Deutschlands Steffi

    • Lieben Steffi, klar gibt es bei uns wie bei allen Aufs und Abs und auch Missstimmungen (und davon nicht wenige, besonders wenn die Kinder müde und/oder hungrig sind). Unser Rezept ist: so oft wie möglich raus, und nicht so viel stressige Termin-Sachen auf dem Plan haben. Und viel Kuscheln und Lesen. Liebe Grüße zurück in den Süden!

  5. Liebe Meike,
    ich verfolge gerne diesen Blog und freue mich immer über Anregungen und Idern, sei es zu Spielen, Literatur oder Filmen / Dokumentationen. Mir gefällt die Art, wie Du Euer Familienleben beschreibst mit aller Freude, Tränen, heiteren und lehrreichen Momenten. Vielen Dank dafür!

    • Danke Dir und ganz liebe Grüße an Euch alle! Die Gedanken an Dich helfen mir oft, strenger nach Bruker zu essen und zu kochen 🙂

  6. Schöön! Unsere Kastanie hat auch innerhalb von Stunden gefühlt ihr halbes Blätterkleid verloren. Der Frost hat es möglich gemacht 🙂
    Die Ausdrucksweise deiner Tochter ist sehr beeindruckend!
    Liebe Grüße Hanna

Schreibe einen Kommentar


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.