Das war ein echtes Herbst-Wochenende auf dem Land, mit Kinderbesuch und wunderbarem Wetter. Die Blätter färben sich. Die Pilzsaison neigt sich dem Ende zu. So auch meine Corona-Infektion. Ich war schon etwas kräftiger an diesen beiden Tagen. Ich teste schon seit einer Woche negativ, war aber trotzdem noch krank.
Deswegen ist mir dieses Herbst-Gedicht von Paul Celan in die Augen gesprungen, auch wenn Celan mit „Corona“ natürlich nicht die Krankheit meint. Er meint damit das Sternbild Corona Borealis, das auf den Mythos um Ariadne, Theseus und den Minotauros im Labyrinth von Kreta zurückgeht. – Zum Mythos: Das Ungeheuer Minotauros, das vom König Minos in ein Labyrinth gesperrt wurde, verlangt jedes Jahr sieben Jungfrauen und sieben Jünglinge als Opfer, um sie aufzufressen. Theseus macht sich auf, um den bösen Minotauros zu töten.
Theseus ist im Besitz einer funkelnden Krone (der „Corona“), die er von der Meeresgöttin Amphitrite bekommen hat. Mit der Krone kann er den Minotauros im Labyrinth derart blenden, dass er ihn erlegen kann. Schließlich findet Theseus mit Ariadnes Wollfaden wieder aus dem Labyrinth hinaus. Die hilfreiche Krone schenkt er Ariadne, die beiden fliehen als Paar aus Kreta. Als Ariadne auf Naxos in einem tiefen Schlaf liegt und Theseus erfährt, dass sie als Braut bereits Dionysos, dem Gott des Weins, versprochen ist, verlässt er sie. Dionysos kommt heran, nimmt Ariadne zur Frau und schleudert voller Freude die Krone an den Himmel. All diese Motive finden sich in dem Gedicht.
Ich bin der Meinung, das lyrische Ich des Gedichts begreift sich vielleicht eher als Dionysos denn als Theseus, denn sonst würden die Geliebten nicht „wie Wein in den Muscheln“ schlafen. Mit der „Schale“ in der dritten Zeile ist wohl der Halbkreis gemeint, den die Sterne im Sternbild der Corona Borealis bilden.
Manche Interpretatoren sehen in der Corona des Gedichts (auch) einen Brautkranz. Meiner Meinung nach geht es in dem Gedicht aber nicht nur um die Liebe und die gefühlte Notwendigkeit, sie zu besiegeln, sondern auch um den Rückzug nach innen, das Thema dieser Jahreszeit.
Jedoch ist es natürlich schön, wenn man in dieser Zeit ein geliebtes Gegenüber hat, mit dem man sich in die „Schale“ begeben kann.
Freitag, der 14. Oktober 2022
Essigstrauch auf unserem Grundstück. Diese Regenbogenfarben!
So ein kleiner, wunderschöner Giftpilz. Der könnte einen theoretisch schön den „Blutstrahl des Mondes“ entlangführen.
Zwillingsbirke.
Die kleine Tochter hat dieses Wochenende zwei Freundinnen dabei. Hier kommen wir vom Hundespaziergang in den Wald zurück.
Wir haben Moos mitgebracht und gestalten damit den Jahreszeitentisch.
Ins Bad kommen letzter Rainfarn und Zweige der Berberitzenhecke.
Im Wohnzimmer mag ich herbstliche Linden- und Erlenzweige.
Und ein kleines, kräftiges Sträußchen für den Esstisch.
Die Kinder rennen den ganzen Nachmittag draußen rum. Nach dem Abendessen gehen alle vier Mädchen mit meinem Mann Sterne gucken. Weil es so wenig Licht in der Gegend gibt, sieht man bei uns rund ums Haus wundervolle Sternenhimmel.
Unsere große Tochter kennt inzwischen viele Sternbilder; sie hat seit ein paar Wochen ein neues Interessensgebiet – Astronomie. Sie interessiert sich für alles, was mit dem All und dem Universum zu tun hat, von schwarzen Löchern bis zur ISS. Ich freue mich total darüber, denn vor einem Jahr ist mein Vater gestorben, und auch er hat sich intensiv für den Weltraum interessiert. Es wirkt beinahe so, als ob er das Thema an sie weiter gegeben hat.
Samstag, der 15. Oktober 2022
Zum Frühstück gibt es frisch gebackene Brötchen, warm aus dem Ofen. Die große Tochter hat sie gebacken, während die jüngeren Mädchen und ich mit den Hunden draußen waren.
Nach dem langen Spaziergang macht der Hund es sich auf der Fensterbank gemütlich.
Ich bin von 10 bis 13 Uhr in einer Online-Konferenz.
Die Kinder verbringen am Vormittag lange Zeit auf den Strohballen, die ums Eck aufgestapelt liegen, um die Kühe im Winter zu versorgen.
Später wird geschaukelt.
Unsere Berberitzenhecke in Oktoberrot.
Die Pfaffenhütchen sind jetzt auch knallig gefärbt.
Und seltsamerweise ist der Natternkopf am Wegrand nochmal erblüht.
Heute wird zum Mittagessen draußen gegrillt. Die große Tochter kümmert sich ums Grillgut.
Als Beilagen gibt es Nudelsalat, Couscous-Salat und Pellkartoffeln mit Butter.
Am Nachmittag gehen die drei Freundinnen auf dem Hochsitz im Wald picknicken und spielen. Dafür haben wir Apfelringe in Teig getaucht und ausgebacken.
Als es dunkel ist, schauen alle Töchter und Freundinnen den Film „Zoomania“, kino-mäßig mit Beamer an die Wand geworfen und mit Popcorn. Mein Mann und ich sitzen im Esszimmer zusammen; ich stricke und bemale Papier für die Laternen, die wir morgen basteln wollen.
Wir hören uns wunderschöne Chormusik an, die ich kürzlich entdeckt habe, zeitgenössische Stücke von Eric Whitacre. Unser Favorit: Lux Aurumque („Licht und Gold“). So wunderwunderschön, wie sich leicht dissonante Flächen mit sanften Auflösungen in bekannte Harmonien abwechseln. Endlich mal wieder Musik, die ich total gern mal live hören würde.
Heute Abend gehe ich mit den vier Mädchen Sterne gucken. Es ist so zauberhaft, dem Geplapper der klugen jungen Mädchen zuzuhören, die schon so viel wissen und denken. Auch über das Universum, den Menschen und die Sterne. Wir sehen sogar die „nördliche Krone“, also die Corona borealis aus Celans Gedicht.
Zurück gehen wir im Dunkeln durch eine verwunschene Stimmung: Der Mond ist aufgegangen, und Bodennebel hat sich über die Felder gelegt. Als wäre die Landschaft still in einen silbernen Zauberhauch gehüllt.
—
Spät am Abend, als ich gerade ins Bett gehen möchte, kommt eins der Besuchskinder mit Bauchweh die Treppe herunter. Ein bisschen Heimweh ist auch dabei. Ihr Papa ist glücklicherweise nicht weit weg und kann direkt herkommen. Bis er gegen 0:30 Uhr bei uns eintrifft, vertreiben wir uns die Zeit mit Kräutertee, Trösten, Spielen und Reden. Der Papa bleibt dann natürlich über Nacht bei uns. Dem Kind geht es direkt besser. Erst um 1:30 Uhr liege ich im Bett. Viel zu spät.
Sonntag, der 16. Oktober 2022
Heute kümmern sich die kleine Tochter und ihre Freundinnen um das Formen der Brötchen. Den Teig habe ich gestern Abend noch gemacht.
Großes Frühstück. Vier Kinder und drei Erwachsene. Meine Mutter sagt immer, dass Kinder an Esstischen in der Zahl überwiegen sollten. Ich kann nur zustimmen. Es fühlt sich natürlicher an. Und ist lustiger und entspannter.
Heute ist herrliches Herbstwetter.
Diese beiden Waldorf-Laternen falte ich heute nach meiner Anleitung, die gerade wieder viel gelesen und nachgebastelt wird.
Die Anleitung ist offensichtlich so gut, dass sie mir letztes Jahr von einem großen Waldorf-Blog geklaut wurde. Die Autorin des Blogs hatte meine Texte zum Teil ein bisschen umgeschrieben, aber manche Text-Passagen einfach dreist übernommen. Vor allem hatte sie aber die Struktur, den Aufbau, die Gliederung kopiert – ach, eigentlich alles. Die Anleitung für meine Sternenlichter wurde auch kopiert; hier wurden meine Texte von der Autorin in ein PDF gepackt, wahrscheinlich, um das Problem mit Duplicate Content zu umgehen. (!!)
Ich muss wohl nicht betonen, wie dreist und unverschämt ich das fand (und immer noch finde). Es kostet sehr viel Zeit und Gehirnschmalz, eine solche Anleitung klug zu strukturieren und die Texte so zu formulieren, dass man es gut versteht. Texte kopieren und ein bisschen umschreiben ist dagegen in Windeseile gemacht. Das Irre war, dass die (sehr bekannte) Blogautorin es nicht mal für notwendig erachtete, sich zu entschuldigen, als ich den Textklau monierte. Sie kam mir sogar frech („Meine Beiträge wurden auch schon geklaut, da musst du dich jetzt nicht so anstellen“). Ich war so enttäuscht.
Aber das Basteln macht wieder großen Spaß, begleitet von einem anregenden Gespräch mit dem Besuchspapa.
Als das eine Kind und sein Papa weg sind, setzen wir uns vors Haus in die Sonne. Ich suche ein Gedicht raus, mein Mann liest den Kindern vor.
Nach dem Mittagessen nochmal ein langer Spaziergang mit den Kindern und Hunden zum Graben.
Die jüngeren Mädchen werfen Steine ins Wasser.
Wir genießen die warmen Sonnenstrahlen und das schöne goldene Licht.
Die schönen Farben.
Den blauen Himmel.
Auf Wiedersehen, liebes Haus. Wir sehen uns nächstes Wochenende wieder. Da sind bei uns in Berlin Herbstferien, und wir gedenken, die ganzen Ferien im Haus auf dem Land zu verbringen. Ich freu mich drauf.
Ich habe in den letzten Tages einiges Unangenehmes hinter mich gebracht, ganz zu schweigen von Corona. Ich bin immer noch am Genesen; die Kraft ist noch nicht wieder da. Diese Woche muss ich mich um Steuer-Unterlagen und andere bürokratische Aufgaben kümmern – etwas, das ich überhaupt nicht gern mache. Aber gerade als Selbständige muss da man eben manchmal durch. Ich habe am Donnerstag und Freitag schon alle Unterlagen herausgesucht, ausgedruckt und sortiert. Maike stolz.
Ich wünsche eine gute Woche, in der Du vielleicht auch etwas wegschaffst, das Du schon länger vor Dir herschiebst. Bei mir ist das immer so: Es ist super ätzend, wenn ich noch am Anfang stehe, aber wenn ich damit fertig bin, bin ich sooo froh und frage mich, warum ich das so lang mit sich herumgeschleppt habe. Es stimmt nämlich: Unangenehme Dinge, die man aufschiebt, kosten jeden Tag Kraft, weil sie einen jeden Tag beschweren.
Vielleicht kannst Du ganz michaelisch Mut fassen und auch so eine Sache angehen?
Das wünscht Dir
Deine Maike
Mehr Wochenenden in Bildern wie immer bei Große Köpfe.
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Liebe Maike, wenn Du Lux Aurumque live hören willst, lade ich Dich ein, am 17.12. in die Nikodemuskirche in Neukölln zu kommen. Da singen wir, der Madrigalchor Kreuzberg, verschiedene Stücke rund um Licht und Norden und Hoffnung. Wahrscheinlich geht es 19 Uhr los, die genauen Infos in Kürze unter http://www.madrigalchor-kreuzberg.de/ 🙂
Beste Grüße, Karin
Liebe Karin, danke für den Tipp! Das ist großartig! Ich melde mich gleich noch per Mail bei Dir….!
Vielen Dank für deinen schönen Rückblick.
Der Textklau ist wirklich mehr als dreist.
Ich wünsche dir für die neue Woche neue Kraft und Energie.
LG Tany
Danke, Tany. Wenn Du den Klau gefunden hast, darfst Du derjenigen gern zum Thema schreiben… ich denke, wenn sie mal Rückmeldung von Leser*innen bekommt, könnte das vielleicht was bewirken. (??)
Liebe Grüße an Dich! <3