Am Mittwoch, am 29. September, zu Michaeli, ist mein Vati gestorben. Das Gedicht der Woche ist darum das, das wir an seinem Bett vorgelesen haben, bevor er in den Sarg gelegt wurde. Mein Vati hat Gedichte auch geliebt. Er hat viele Gedichte auswendig gekonnt. Ich habe ihm ein paar Tage vor seinem Tod im Hospiz herbstliche Gedichte vorgelesen. Dieses war auch dabei, und er sagte dazu: „Das passt jetzt ganz genau.“ Ich habe dann sehr geweint. Wenn Ihr das Gedicht lest, wisst Ihr, warum. Fünf Tage später ist er gestorben, ganz friedlich, ganz ruhig, ohne Schmerzen. Er hat im wahrsten Sinne des Wortes ganz langsam und sanft sein Leben ausgehaucht. Mit ganz ruhigen Atemzügen.
Weil ich diese Tage ziemlich labil, nahe am Wasser gebaut und nicht besonders tatkräftig bin, sind wir in Berlin geblieben und nicht aufs Land gefahren. Der Plan war, nur das Nötigste zu machen und es uns gut gehen zu lassen.
Ich brauche zur Zeit viel Schlaf, viel Ruhe. Ich möchte am liebsten nicht viel reden, nicht viel erklären und lieber nicht angesprochen werden. Ich will nicht entscheiden und planen, ich möchte einfach nur sein dürfen. Wenn, dann möchte ich mit meinen Geschwistern reden und zusammen sein.
Samstag, der 2. Oktober 2021
Die kleine Tochter hat vormittags Geigenstunde. Ich gehe währenddessen auf dem nahe gelegenen kleinen Markt Salat und Gemüse kaufen.
Der Himmel ist blau, es ist warm, es ist ein schöner Tag.
Das Oberlicht im Saal, wo die Geigen-Gruppenstunde stattfindet, mit Lichtreflektionen. So schön. Licht ist da.
Unser Garten zu Hause ist grün und rot. Der wilde Wein leuchtet so schön.
Weißer Hibiskus vor wildem Wein.
Mich machen die starken Farben und die pralle Kraft der Natur froh.
Die große Tochter und ich backen einen Kürbiskuchen. Wir improvisieren ein Rezept aus einem alten Zucchini-Kuchen-Rezept. Der Kuchen wird fantastisch. Ganz feucht und saftig und trotzdem locker. Er schmeckt nach Zimt und Kardamom. Der perfekte Herbst- und Wohlfühl-Kuchen. Das Rezept hier auf dem Blog.
Dieses Bild vom halb abgegessenen Käse- und Wurstteller steht symbolisch für den Rest des Tages. Meine Brüder mit ihren Familien kamen zu uns. Alle brachten was zum Essen und Trinken mit, und wir saßen bis zum späteren Abend zusammen, redeten, tranken auf unseren lieben, besten, verstorbenen Vati, lachten auch und waren froh, zusammen sein zu können.
Sonntag, der 3. Oktober 2021 – Erntedank und Tag der deutschen Einheit
Was den Tag der deutschen Einheit betrifft, bin ich ja eher verhalten, was Feierstimmung betrifft. Kurz gesagt, ich finde, da ist viel schief gegangen und hätte mit etwas mehr Geduld viel besser gelöst werden können. Ein Ergebnis der schlechten Arbeit rund um die deutsche Einheit sind die diesjährigen Wahlergebnisse in Thüringen. Aber dazu will ich mich jetzt nicht auslassen, dazu habt Ihr Eure eigenen Gedanken.
Hinsichtlich Erntedank hatten wir eigentlich vor, in die Kirche zu gehen. Aber ich fühle mich noch nicht nach Öffentlichkeit. Ich kenne mich und weiß, ich hätte in der Kirche Rotz und Wasser geheult. Bei jedem Lied und jedem Psalm. Bei jedem etwas anrührenden Gedanken aus der Predigt und bei jeder Fürbitte.
Der Zufall will es, dass wir Deutschlandradio Kultur hören und dort der Gottesdienst aus der Versöhnungskirche am Mauerstreifen live übertragen wird. Das ist ja sozusagen unsere Kirche. Während ich das Mittagessen vorbereite und mein Mann etwas bastelt/säubert, hören wir dem Gottesdienst zu. Natürlich geht es um Geschichten vom Mauerstreifen, aber auch um das Roggenfeld, das dort angelegt wurde, um das Thema Saat und Ernte zu untermalen. Mir kommen trotzdem ein paarmal die Tränen, aber es ist gut, dabei etwas zu schaffen. Ich schnippele Gemüse und stelle Gewürze zusammen.
Mein Mann hat die Kornquetsche meines Vaters auseinander genommen, die meine Brüder gestern aus der Wohnung meines Vater mitgebracht haben. Sie ist schon alt; mein Vater hat sie aber bis zu seinem Ende fast täglich benutzt und sich damit selbst Haferflocken fürs Morgenmüsli gequetscht. Nach vielen Jahren Benutzung ist die Mühle verdreckt.
Mein Mann säubert alle Teile. Das ist gar nicht so einfach. Schließlich setzt er die Quetsche sauber wieder zusammen. Wir können sie gut brauchen; aber vor allem hänge ich bezüglich meines Vaters dran. Ich habe ihm so oft Nackthafer aus dem Bioladen mitgebracht, weil es in seinem nahe gelegenen Supermarkt keinen gab.
Ich finde diese Tätigkeit schön, gerade heute, an Erntedank.
Mittagessen: Kürbis-Curry mit Erbsen und indischen Gewürzen. Die Kinder sind begeistert von dem Reis, den ich aus einem kleinen Schälchen halbrund auf die Teller stürze.
Nach der Mittagspause (Schlaf!) ernte ich die letzten Himbeeren im Garten. Sie schmecken himmlisch.
Im kleinen Park des Altersheims in der Eberswalder Straße. Hier findet heute ein kleines Konzert für die Heimbewohner der Geigenklasse der Tochter bzw. meiner Schwägerin statt, die ja die Geigenlehrerin ist.
Während des Konzertes fallen die Blätter von den Bäumen und erinnern mich an das Gedicht. „Die Blätter fallen / fallen wie von weit…“
Während des Konzertes schaue ich in den Himmel und genieße die Musik. Sie ist leise, weil es draußen wenig Akustik gibt; manchmal kann man den Wind deutlich hören. Dann schweben die Lindenfrüchte taumelnd von den Bäumen und die trockenen Blätter der Platane. Die Stimmung und die Musik tun mir sehr gut. Ich sitze neben meinem Bruder. Auch das tut gut.
Es wird Herbst.
So ein schöner Park, mitten in Berlin-Prenzlauer Berg.
Alle Kinder bekommen als Danke für ihr Spiel eine Rose von der Leiterin des Altenheims. Meine Tochter ist voll entzückt, sie liebt (im Gegensatz zu mir) Rosen.
Okee, wenn ich dann so eine schöne zarte Rose im Heimgarten sehe, bin ich nicht mehr sicher, ob ich Rosen nicht doch sehr mag. Naja, Wildrosen und englische puderrosa oder mattweiße Landhaus-Rosen mag ich ohnehin. Was ich nicht mag, sind rote Rosen. Und allgemein ziehe ich Wildblumen fast jeder Zuchtrose vor.
Die Tochter schaut sich die Rosen im Garten näher an.
Auf dem Weg nach Hause sichten wir diese Hauswand.
Unsere Töchter backen unter der Regie der großen Tochter vor dem Abendessen noch gemeinsam Plätzchen.
Dieser Beitrag ist wie immer verlinkt bei Große Köpfe, wo die Wochenenden in Bildern vieler anderer Blogger gesammelt werden.
Morgen geht es in die letzte Woche vor den Herbstferien. Ende der Woche fahren wir nach Sizilien, wo wir 10 Tage verbringen werden. Unser erster Urlaub seit Beginn der Corona-Pandemie. Wir freuen uns total. Ich brauche ganz dringend Urlaub.
Der Urlaub kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Als hätte ich es bei der Buchung geahnt. Ich habe in den letzten Tagen gemerkt, wie ausgelaugt und erholungsbedürftig ich bin. Ich bin, seitdem mein Vati tot ist, dünnhäutig und kraftlos. Da wird der Tapetenwechsel und die südliche Luft gut tun. Mir treten fast Tränen in die Augen, wenn ich daran denke, dass wir ganz bald weit weg sein werden, im Süden, wo es guten Kaffee gibt und Palmen, wo die Menschen sich freuen, wenn Kinder da sind, und wo es schon am Flughafen gut riecht.
Das nächste Wochenende in Bildern kommt also aus Sizilien, Leute. Ich kann es selbst kaum glauben, denn bis dahin ist hier noch viel los.
Alles Liebe wünsche ich Euch, meine guten treuen Leser*innen. Schreibt mir mal was, da freue ich mich.
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Gute Reise!
Danke!!! <3 <3 <3 Wir freuen uns schon so sehr…
liebe maike, ja geduld ist ein großes thema….das wünsche dir in deiner jetzigen lebenslage….fühl dich dolle umarmt udn getröstet…genießt euren urlaub
ganz herzliche rüße
annette
Danke, liebe Annette!!! Ich habe gestern an Dich gedacht, denn ich habe den Kühlschrank ausgeräumt und den Hustensirup gefunden, den ich für Euch gemacht habe!!! Das ist irgendwie total in Vergessenheit geraten, dabei wollte ich den Euch schon vor Wochen schicken! Ich hoffe, ich schaffe es noch vor dem Urlaub, das Päckchen zu richten. Denn die Erkältungszeit hat ja schon begonnen… Ganz liebe Grüße zurück!
Herzliches Beileid.
Ich bin ganz berührt davon gewesen, die Geschichte mit deinem Vati hier ein bisschen mit zu verfolgen…
Ich wünsche dir und deinen Lieben wenig Stress diese Woche und einen fabelhaften Urlaub!
Liebe Grüße
Marijke
Lieber Marijke, danke für Deine lieben Worte! Wir machen es uns so angenehm wie möglich, lassen ausfallen, was ausfallen kann (heute sind hier alle ein bisschen verschnupft und da haben wir entscheiden, dass die Kinder zu Hause bleiben, auch wenn sie sonst mit solchem Schnupfen manchmal auch zur Schule gehen — aber heute halt nicht! Auf den Urlaub freuen wir uns wie wahnsinnig. Wir können es kaum erwarten.
Liebe Maike,
Mein aufrichtiges Mitgefühl. Ich kann deine Worte gut nachfühlen, fehlt doch seit unfassbaren fünf Jahren inzwischen meine Mama in der Familie und spüre ich seitdem aber die Gnade dass wir drei Töchter einen starken Zusammenhalt haben. Und die Liebe sie bleibt und die Dankbarkeit solch eine Begleitung ins Leben bekommen zu haben wächst. Natürlich bleibt auch die Trauer. Wandelt sich wehmütig. Und doch schaffe ich es auch sie immer als Zeichen zu wandeln wie groß die Liebe war. Und erinnere mich selbst daran was wirklich traurig wäre. Wie vielleicht in anderen Familien in solch einer Situation „Nichts“ oder gar Erleichterung zu spüren. Der Schmerz zeugt auch von der glücklichen Zeit mit deinem Vater.
Ich möchte Dir danken, für die Kraft, Freude und Energie die in deinem Blog liegt und verschenkt wird. Ich lese noch nicht lange mit aber mir gefällt deine Sicht aufs Leben sehr und ist oft eine erfolgreiche Erinnerung für mich innezuhalten und dankbar zu sein inmitten des Alltags (wie abwertend eigentlich) mit drei kleinen Kindern… Liebe Grüße Elisabeth
Liebe Elisabeth, vielen Dank für Deine schönen Worte. ich freue mich, dass auch Ihr als Töchter gut zusammen haltet. Und Du hast so recht mit dem, was Du schreibst. Trauer ist ja etwas ganz Normales und gehört zum Leben dazu. Bei uns war es ja so, dass wir die ganzen letzten 3 Jahre schon getrauert haben und schrittweise schon Abschied genommen haben von unserem Vater. In den letzten Wochen dann viele kleine Schritte, letzte Worte… wir konnten aber alles beenden und besprechen, so dass keine „losen Enden“ da sind, die weh tun. Das empfinden wir als großen Segen. Für mich ist es ein bisschen so, als habe sein Tod die Trauer eher beendet als dass es der große Anfang des Trauerns war. Ich habe in gewisser Weise schon einen Frieden mit dem Verlust gefunden.
Und wie schön ist es, dass mein Blog Dich manchmal innehalten und dankbar sein lässt! Das ist es, was ich mir von meinen Zeilen und Beiträgen wünsche! <3
Viele liebe Grüße an Dich!
Liebe Maike,
ich wünsche Dir viel Trost von Deinen Lieben und viele ruhige Momente der Besinnung und dann nach einiger Zeit, weniger Schmerz und viele schöne Erinnerungen. Aber es hört sich so an, als findest Du gerade Vieles was Du brauchst.
Dein Wochenende in Bildern hat mich dazu gebracht mich zu erinnern – in dem Pförtnerhäuschen des Altenheimes in der Eberswalder Straße hat meine Patentante lange gelebt (erst als Pfarrersfrau und dann noch lange alleine; seit einigen Jahren weilt sie nicht mehr unter uns) – ich habe in meiner Kindheit viele Stunden in dem kleinen Park verbracht, vor allem auch gerne an der Vogelvoliere. Und ich bin dort auf dem Gelände auch in die Kinderkrippe gegangen…
Vielen Dank dafür …
Liebe Grüße
Marie
Liebe Marie, ach, wie schön Deine Geschichte zu hören. Es ist ein ganz unglaublich schöner Ort. ich kannte ihn vorher gar nicht, obwohl schon einige Konzerte unserer Geigenklasse dort stattgefunden haben — aber immer oben im Saal. Außer den Wellensittichen in der Voliere gibt es dort jetzt auch Kaninchen, Hühner und Bienen! Ist das nicht schön?! Wir waren alle entzückt. Danke für Deine Worte!
Liebe Maike, ich wünsche dir und euch einen wunderschönen Urlaub!! Gönne dir die Ruhe und Erholung, die du jetzt wirklich brauchst. Habt es fein!!! Die Bilder vom Wilden Wein sind sooo schön,dass ich bei mir im Garten mal schauen werde, ob ich eine gute Stelle für ihn finde und auch mal einen Pflanze.
Liebe Grüße aus dem hohen Norden
Lydia
Liebe Lydia, ja, wilder Wein ist echt toll. Er wuchert bei uns richtig. Wir müssen ihn immer zurückschneiden, damit er nicht alles überwuchert.
Ich freue mich schon sehr auf Sizilien… leider soll es fast die ganze Zeit regnen. Aber naja, Regen in Sizilien ist nicht wie Regen in Deutschland.
Liebe Grüße an Dich!
Liebe Maike,
Mein aufrichtiges Beileid und viel Kraft in dieser schweren Zeit. Seit längerer Zeit lese ich hier immer im Stillen mit. Dein positiver Blick auf das Leben ist absolut bewundernswert. Als Palliativmedizinerin finde ich es wunderschön wie ihr als Familie euren Vater im Sterben begleitet habt. Gemeinsam werdet ihr sicherlich den Weg der Trauer auch gut bewältigen können. Alles Gute und eine schöne Zeit auf Sizilien.
Liebe Hannah, vielen Dank. Wir konnten nicht anders als unser Bestes zu geben. Es war sehr schön, dass wir als Geschwister uns in allem einig waren, was unseren Vater betraf. Darüber sind wir alle dankbar, denn anscheinend ist das nicht selbstverständlich. Den Palliativmedizinern und den Pflegekräften sind wir auch der, sehr dankbar. Alle haben wunderbare Arbeit geleistet.
Danke Dir.
Liebe Maike,
jetzt hat es dein Vati geschafft und doch ist es unfassbar traurig für dich und deine Geschwister. Wie gut, dass ihr einander habt und das alles gemeinsam durchmachen könnt. Das ist auch ein tröstlicher Gedanken für alle, die hier mitlesen. Denn die Geschicht von deinem Vati ist sicher vielen, auch mir sehr nahegegangen. Meine Gedanken sind jetzt bei dir.
Sizilien wird dir gut tun! Ich wünsche dir und deinen Lieben eine gute Zeit dort, dass du ausruhen, auftanken und integrieren kannst, was in den letzten Wochen und Monaten los warst.
Liebe Grüße,
Maria
Liebe Maria, tausend lieben Dank. Es ist ganz genau so, wie Du schreibst. Und es ist in den letzten tagen bzw. der letzten Woche schon ganz gut gelungen, alles zu integrieren, soweit, wie es eben geht in ein paar Tagen. Ich bin schon recht getröstet, denn irgendwie ist es bei mir eher so, dass sein Tod eher der Abschluss einer großen, langen Trauer war als der Beginn. Ich zumindest habe in den letzten Jahren immer wieder getrauert und schrittweise Abschied genommen. So ist es seit ein paar Tagen auch ein klein bisschen wie ein Aufatmen.
Ganz liebe Grüße an Dich. Du hörst heute nochmal von mir 🙂 Und heute wirklich!
Auch hier nochmal mein aufrichtiges Beileid.
Ich wünsche euch eine schöne Zeit in Sizilien. Meine Tochter fliegt morgen. Mein Schwiegervater ist schon dort.
Alles Liebe, Tanja
Liebe Tanja, vielen lieben Dank! Ach, schön, wenn so viel Familie an einem Fleck ist. Und dann auch noch Sizilien 🙂
Liebe Grüße an Dich! <3