Eine Wohnung in Berlin finden: In mehreren Teilen erzähle ich, wie wir als Leute ohne Geld zu einem Wochenend- und Ferienhaus auf dem Land nordöstlich von Berlin kamen. In diesem zweiten Teil geht es darum, wie wir 2016 in Berlin-Mitte eine Mietwohnung für eine vierköpfige Familie fanden. Die brauchten wir nämlich dringend, denn:
Stand der Dinge aus Teil 1:
- Wir mussten (und wollten) aus unserer traumhaften 130qm-Mietwohnung am Zionskirchplatz in Berlin-Mitte ausziehen. Weil das Haus luxussaniert werden sollte, sollten wir für unseren Auszug eine finanzielle Belohnung im fünfstelligen Bereich erhalten (Abfindung).
- Also mussten wir eine neue Wohnung in Berlin für 4 Personen finden, die nicht allzu weit von der Schule der Tochter in Mitte entfernt war.
Schlechte Voraussetzungen
Eins wussten wir: Wir hatten keine guten Karten. Einmal natürlich, weil unser Mietbudget eher klein war und wir diesbezüglich definitiv nicht mit anderen Bewerber*innen für Mietwohnungen in Berlin-Mitte mithalten konnten. Aber vor allem gab es in Mitte und Prenzlauer Berg so gut wie keine großen Mietwohnungen mehr. Alle, die eine haben, sitzen drauf und lassen nicht los. Aus gutem Grund, wie wir merken sollten.
Kaufen ging nicht
Etwas kaufen kam leider nicht in Frage, weil wir null Euro Eigenkapital hatten und keine Bank uns zwei eher wenig verdienenden Selbständigen einen Kredit gegeben hätte. (Wir haben uns erkundigt, es gab definitiv keine Chance). Die erwartete Abfindung hätte als Eigenkapital für eine große Wohnung in Berlin bei Weitem nicht ausgereicht.
Mein Mann musste wegen seiner Arbeit günstigerweise zentrumsnah wohnen. Auch ich wollte eigentlich gern in der Nähe unserer Freunde und Bekannten wohnen bleiben und mir nicht irgendwo in Alt-Mariendorf oder Nord-Tegel eine neue Existenz aufbauen müssen. Vor allem aber hatten wir den Schulplatz für die große Tochter in Mitte, den wir nicht aufgeben wollten. Weil wir nur mit Fahrrad und Öffentlichen unterwegs waren (wir hatten kein Auto), mussten wir also im Einzugsbereich der Schule bleiben. Sprich: in Mitte, Prenzlauer Berg oder im nördlichen Kreuzberg.
Wohnqualität: Mangelhaft. Preise: Astronomisch.
OK, dass es nicht einfach wird, eine große Wohnung im Zentrum Berlins zu finden, wussten wir. Aber wie sehr sich die Preise schon in die Höhe geschraubt hatten, hatten wir definitiv unterschätzt. Wer „nur“ maximal 1500 Euro warm pro Monat ausgeben konnte und eine Wohnung mit 4 Zimmern suchte, fand entweder GAR NICHTS, oder musste mit grauenhaften Schnitten (z.B. die halbe Wohnung war ein langer, schmaler, dunkler Flur), Dunkelheit und Mief, vierspurigen Straßen mit Verkehr rund um die Uhr oder totaler Baumlosigkeit im weiten Umfeld vorliebnehmen. Meist sogar alles zusammen. Für 1500 warm bekam man in einer akzeptablen (nicht mal dollen) Wohnqualität und -umgebung nur noch 2-3-Zimmer-Wohnungen mit maximal 70 Quadratmetern. Oder was im DDR-Neubau („Plattenbau“) in Marzahn, Hellersdorf oder Lichtenberg. Klasse Aussichten.
Eine bezahlbare Wohnung in Berlin finden: So gut wie unmöglich.
Das beste Angebot, das wir online sahen, war eine 4-Zimmer Wohnung in Friedrichshain mit 104 Quadratmetern im 4. Stock, ohne Aufzug, ohne Bäume drumrum, mit totsanierter Ausstattung (Laminat, pflegeleicht zurechtgestutzter Innenhof, der jegliches Leben darin ausschließt). Miete: etwas über 1500 Euro warm, für uns eigentlich zu teuer und alles andere als in einem Traum-Viertel. In den netten Kiezen in Mitte und Prenzlauer Berg bekam man Wohnungen mit knapp 100 Quadratmetern nicht mehr unter 1700 Euro warm. Oft war es sogar erheblich teurer – wir sahen Wohnungen für bis zu 3000 Euro Monatsmiete, die in unseren Augen das Attribut „Luxus“ eigentlich nicht verdienen. Krass! Ganz so drastisch hatten wir es uns nicht vorgestellt, eine bezahlbare Miet-Wohnung in Berlin -Mitte zu finden. (Gut, mittlerweile ist es noch viel drastischer geworden. Aber das ist eine andere Geschichte.)
Alternative Kanäle
Zuerst ließen wir uns vom schlechten Online-Angebot nicht allzu sehr abschrecken, denn wir wussten (und wissen): Eine gute und bezahlbare Wohnung in Berlin bekommt man auf Immoscout und Konsorten ohnehin nicht. Gute Wohnungen bekommt man nur über Empfehlungen, Freunde, Tipps, Zettel-Aufhängen oder durch persönliches Abklappern schöner Häuser, Nachfragen bei Nachbarn/Hausverwaltungen usw. Diesen Weg wollten wir jetzt gehen. Zumindest sagten wir erstmal allen Freunden und Bekannten Bescheid, dass wir suchten. Problem dabei: Viele davon suchten auch, und das zum Teil seit Jahren.
Ein einziges Angebot
Irgendwann im Februar kam mein Mann vom Abholen der kleinen Tochter zu ihrer Tagesmutter aufgeregt nach Hause. In der Wohnanlage der Tagesmutter im Brunnenviertel im südlichen Wedding (in einer Nische zwischen Mitte und Prenzlauer Berg) war eine Wohnung frei geworden. Laut Tagesmutter hatte die Wohnung 4 oder 5 Zimmer. Manche der Parterre-Wohnungen dort hatten kleine Gärten. Und um die Häuser und Gärten herum waren viele Bäume, kleine Wege und Gebüsch. Eine kleine, unbekannte Idylle inmitten der Großstadt, ein bisschen wie ein Park mit Häusern drin. Keine Autos, die können gar nicht rein. Die Straße draußen ist eine Fußgängerzone mit schönen Grünanlagen und Spielplätzen. Ohne Geschäfte, da es eine reine Wohngegend ist. Wir kannten die Anlage nur, weil da die Tagesmutter der Tochter wohnte. Von der Straße ist von der Anlage kaum was zu sehen, weil die Durchgänge schmal und unauffällig sind.
Ernsthaft: Brunnenviertel?
Was hier wahrscheinlich total super klingt, hatte aber auch einen Haken. Das Brunnenviertel ist eines der ärmsten Viertel Berlins und das genaue Gegenteil des charmant-lässigen, gepflegten, akademiker-lastigen Prenzlauer Bergs und Nord-Mitte direkt nebenan. Die Berliner Zeitung schreibt in einem Artikel von 2015: „Neben Marzahn und Nord-Neukölln zählt dieser Stadtteil (das Brunnenviertel) zu den ärmsten Berlins. 57,1 Prozent der 8687 Einwohner (Stand: Ende 2013), die auf einer Fläche von 64 Hektar zwischen Bernauer Straße und Humboldthain leben, haben keine deutschen Wurzeln. ‚Aber das ist nicht die wichtigste Zahl‘, sagt die Quartiersmanagerin Sabine Hellweg. ‚Entscheidend ist, dass 60 Prozent der Kinder aus Haushalten stammen, die staatliche Transferleistungen erhalten.‘
Eins der ärmsten Viertel Berlins
Auf gut deutsch: 60% der Kinder im Brunnenviertel sind auf Hartz 4. Daran hat sich seit 2013 nicht viel geändert. Viele Kinder auf den Spielplätzen tragen Klamotten von KiK, essen als Nachmittagssnack rohe YumYum-Nudeln aus der Packung und trinken dazu Capri-Sonne, sind schon mit vier Jahren übergewichtig und treiben sich zum Teil ab der ersten Klasse den ganzen Nachmittag allein auf den Straßen und Spielplätzen rum. In manchen Grünanlagen und an den Straßenrändern liegt Müll, der wochenlang nicht weggeräumt wird. Darunter auch immer ein paar gebrauchte Spritzen. Tja, wirklich eins der ärmsten Viertel der Stadt. Und das in direkter Nachbarschaft zu den Edel-Kiezen um Arkonaplatz, Zionskirchplatz und Falkplatz, scharf abgetrennt durch den ehemaligen Mauerstreifen an der Bernauer Straße und entlang des Mauerparks.
Die Mauer ist noch da
Die Mauer ist an dieser Stelle also noch da. Nur leben jetzt auf der ehemaligen Ostseite (in Prenzlauer Berg und Nord-Mitte) die reichen, privilegierten Akademiker mit ihren helikopterten Kindern in schick sanierten Altbauten und teuren Eigentumswohnungen. Auf der ehemaligen Westseite (im südlichen Wedding/Brunnenviertel) leben dagegen direkt auf der anderen Straßenseite der Bernauer Straße die Abgehängten, die Armen, die „Menschen mit Migrationshintergrund“ in hässlichen Hochhäusern, umgeben von Lidl, Spielhallen und Backshops. Hier zu einem Skript eines absolut genialen Features von 2007 von Deutschlandradio Kultur über die Gegensätzlichkeit der beiden Stadtviertel, die nur durch den Mauerstreifen voneinander getrennt sind. Es ist wirklich verrückt!
Warum ist das so?
Die Geschichte reicht zurück in den zweiten Weltkrieg. Das Brunnenviertel war schon im mer ein armes Arbeiterviertel, wo viele Werktätige von AEG an der Brunnenstraße wohnten. Sie wohnten in den typischen Berliner Altbauten mit mehreren Hinterhöfen, die um die Jahrhundertwende in Berlin für die vielen Arbeiter gebaut wurden, die in die Stadt strömten. Jedoch: An der Stelle, wo jetzt der wunderschöne Park Humboldthain liegt, war im zweiten Weltkrieg ein Flakturm, der der Flugabwehr diente. Dieser Turm war logischerweise das Ziel zahlreicher Bombenabwürfe durch die Alliierten. Da viele der Bomben nicht genau trafen, wurde fast das ganze Viertel rund um den Flakturm zerstört. Nach dem zweiten Weltkrieg sah es im Brunnenviertel also desaströs aus. In den ersten 10 Jahren nach dem Krieg wohnten die Leute hier tatsächlich in Ruinen. Es entwickelte sich schon damals ein echtes Armenviertel.
In den 1960er bis 1980er Jahren wurden dann die ruinösen Altbauten aus der Nachkriegszeit nach und nach abgerissen. Fast das ganze Brunnenviertel wurde in diesem Zuge komplett mit hässlichen Neubauten und Hochhäusern überzogen. In die Neubauten zogen viele Leute ein, denen es nichts ausmachte, an zwei Seiten umgeben von der Mauer zu leben. Die einfach nur einen Unterschlupf brauchten. Was konkret bedeutet: Bis in die 2000er hinein wurden hier Ex-Knastis, Geringverdienende und „Gastarbeiter“ mit ihren Familien einquartiert.
Prekäre Verhältnisse
Aufgrund mangelhafter Integrationspolitik (und weil es wegen fehlender Gastronomie und Kleingewerbe irgendwie tot hier ist) ist das Brunnenviertel heute folgerichtig die Gegend der Sozialhilfe- und Hartz4-Empfänger, der Älteren und Abgehängten, der Frauen mit Kopftüchern und vielen Kindern, des mürrischen Typs „mit Käppi, Kippe und Köter“. Die Bande, die vor ein paar Jahren das KaDeWe ausgeraubt hat, kommt hierher. Selbstredend auch die Gang, die die Riesen-Goldmünze aus dem Bodemuseum geklaut hat. Manchmal liest man von Schießereien zwischen Clans. Auf den Schulhöfen wird vornehmlich türkisch und arabisch gesprochen. Auf den Spielplätzen tragen mindestens 50% der Mütter Kopftücher.
Ernsthaft?
So verlockend die Aussicht war, eine bezahlbare Wohnung in einer Art Park zu beziehen, vielleicht sogar mit kleinem Garten? – wir mussten uns fragen: Wollen wir wirklich im Brunnenviertel leben? In einem der ärmsten Viertel Berlins? In einem Wohn-Ghetto mit gesichtlosen Neubauten, ohne ein einziges nettes Café, ohne atmosphärische kleine Restaurants, individuelle Läden und Boutiquen? In das Land der 1-Euro-Shops, „BancoBets“, Backshops mit Aufbackware, Norma und Penny?
Enthusiasmus und Skepsis
Mein Mann war voll jedoch enthusiastisch und meinte, er könne sich das Wohnen in der Anlage gut vorstellen. Er habe sich das immer schon vorgestellt, wenn er unsere Tochter von der Tagesmutter geholt habe, die Kleinen im Mini-Pool im Garten plantschten und nur in Rosen und grünes Dickicht schauten. Ich verstand ihn, fand es ja in der Wohnanlage auch total schön. Ich war aber nicht ganz überzeugt. Mit dem Brunnenviertel identifizierte ich mich überhaupt nicht und hatte nicht das Gefühl, mich dort wohlfühlen zu können. Das Gefühl angesichts des Viertels war eher ein „Äääääh…“ als ein „Wow!“
Anschauen verpflichtet nicht
Da wir aber wussten, dass die Preise für die Wohnungen in der Anlage günstig waren, schaute ich mir beim Abholen der Tochter die leerstehende Wohnung einmal von außen an.
Die Zimmer sahen klein aus und waren niedrig. Neubau aus den 1980er Jahren eben. Es gab tatsächlich einen kleinen Garten von ca. 6×6 Metern. Jedoch: Das Gärtchen war mit fürchterlichen Waschbetonplatten und Ziegelsteinen ausgelegt. Hier wuchs gar nix. Es gab nur ein winziges Fleckchen struppig braunen Rasen, der Rest war Platten.
Der Boden im Haus sah aus wie PVC in Eichenoptik, die Scheuerleisten waren aus Plastik. In der leeren Küche waren blaue und graue Fliesen an der Wand. Alles sah klein, eng und geschmacklos aus. Ich gehöre zwar zu den Menschen, die nicht sehen, was ist, sondern die sehen, was man daraus machen kann. Aber hier zuckte mein Herz nicht wirklich. Nur die Aussicht auf einen Garten löste direkt ein kleines Kribbeln aus. Ein Garten mitten in der Stadt, das wäre schon was! Tomaten und Beeren anbauen, einen Tisch im Grünen, wo man an lauen Sommerabenden sitzen kann…
Die vermeintlich heiße Quelle
Ich hatte jedoch einen anderen Plan. Ich war überzeugt, es müsse doch in Mitte irgendwo noch eine bezahlbare Altbauwohnung geben. Wir müssten die nur ausfindig machen und drankommen. Nur wie? Ich dachte, wir hätten wenigstens eine heiße Quelle: die WBM (Wohnungsbaugesellschaft Mitte). Die WBM hatte Mitte bis Ende der 1990er renovierungs- und sanierungsbedürftige Wohnungen und Gewerbeflächen aus DDR-Beständen in Mitte zu minikleinen Mietpreisen vergeben. Ich habe damals manchmal halbe Nächte bei der WBM angestanden, um im Morgengrauen Wohnungen zu besichtigen, die Löcher im Fußboden und keine Wasserleitungen hatten, dafür aber spottbillig waren (sogar für damalige Verhältnisse). Unsere Hoffnung war, dass es hier noch Restbestände gab, oder dass das Programm irgendwie noch lief, wenn auch unter der Hand. Mein Mann hatte da noch Beziehungen.
Wir hatten auch herausgefunden, dass wir einen WBS (Wohnberechtigungsschein) bekommen würden, weil in Berlin die Einkommensgrenze für WBSe deutlich höher liegt als andernorts. Ein WBS ist sozusagen die Voraussetzung, um sich um sozial geförderte Wohnungen wie die von der WBM bewerben zu dürfen.
Aber ein Anruf bei der WBM machte uns die Lage klar: „Wir haben momentan KEINE WBS-Wohnungen zu vergeben und 500 Leute auf der Warteliste. Keine Chance, so leid es mir tut.“ Die gleiche Antwort in Prenzlauer Berg, Kreuzberg und Friedrichshain. Und die netten Damen am Telefon hatten keine Idee, wo man es noch versuchen könnte. „Die Gewobag vielleicht?“ sagt eine mit Zweifel in der Stimme.
Landeseigene Bauunternehmen?
Die Gewobag ist eines der landeseigenen Bauunternehmen, die in den 1990ern, 2000ern und vor allem zuletzt viele der ehemaligen staatlichen DDR-Wohnungen in Prenzlauer Berg übernommen haben. Hier nimmt man ja an, dass die Mieten nicht so hoch sein dürfen, da diese Wohnungen im Großen und Ganzen als sozial geförderte Wohnungen durchgehen.
Überall in die Suchmaschinen
Wir trugen uns sofort bei allen landeseigenen Wohnungsunternehmen in die Suchmaschinen ein, in der Hoffnung, hier irgendwo Glück zu haben. Außer der Gewobag gibt es noch die Gesobau und die Degewo. Die haben vor allem Plattenbau-Wohnungen im Angebot, aber manchmal eben auch Altbauten. Wir hatten eigentlich erwartet, dass wir jeden Tag das eine oder andere Angebot für eine große Wohnung in Berlin im Postfach finden würden, darunter doch bitte auch mal eine schöne Altbau-Wohnung, gern auch renovierungsbedürftig und etwas teurer zur Not. Wie naiv von uns! Tagelang kam für fast ganz Berlin NICHTS.
Nach zwei Wochen landete dann endlich mal ein Exposé im Posteingang: „Erstbezug nach Sanierung in der Stargarder Straße in Prenzlauer Berg, 102 qm“ von der Gewobag – klang toll! Das Exposé sah vielversprechend aus, über enttäuschende Totsanierungs-Elemente wie Laminat in Kiefern-Optik und Rauhfaser-Tapeten sahen wir mittlerweile hinweg. Beim Blick auf den Preis klappte uns aber der Kiefer runter: 1900 Euro warm. Für uns definitiv nicht drin.
So schlecht ging es weiter. Und auch über Freunde und Bekannte usw. ergab sich nichts. Gar nichts. Denn wer eine große Wohnung hatte, gab sie schon 2016 auf keinen Fall her. Wer von einer erfuhr, bezog sie sofort selbst.
Keine bezahlbaren großen Wohnungen mehr
Tja, liebe Leute, so sah es aus im ehemaligen Mietparadies Berlin und im „billigen Osten“: Eine vierköpfige Familie fand schon 2016 keine bezahlbare Wohnung in den beliebten Kiezen mehr.
Auf zur Degewo
Es war jetzt schon Mitte/Ende Februar, und nichts, wirklich rein gar nichts hatte sich in sechs Wochen ergeben. Wir besprachen eines Abends, ob wir uns trotz aller Zweifel um die Wohnung im Brunnenviertel bemühen sollten. Mein Mann sagte, „Kann ja nicht schaden!“. Er wollte am nächsten Tag persönlich bei der Degewo vorsprechen, der im Brunnenviertel so gut wie alle Häuser/Wohnungen gehören, so auch diese.
Bei der Degewo musste sich mein Mann hartnäckig durchfragen. Das Gute ist: Mein Mann hat den Dreh bei Behörden-Ladies raus. Er schlägt mit seiner humorvollen, ehrlichen Art, seinen großen blauen Augen und seinem Berliner Dialekt bei diesen Damen genau den richtigen Ton an. Sogar beim Finanz- oder Gewerbeamt bringt er die Behörden-Damen mit seiner Offenheit, seiner Klarheit und seiner ehrlichen Lösungs- und Kompromissbereitschaft dazu, ihren so genannten „Ermessensspielraum“ voll auszuschöpfen. Mein Mann sagt zu Recht: „Da sitzen doch auch nur Menschen!“ Er begegnet den Menschen mit Freundlichkeit, Offenheit und dem Ziel, eine gemeinsame Lösung zu finden. Irgendwie schmelzen bei ihm auch die härtesten Knochen von Behörden-Ladies dahin und haben plötzlich „Möglichkeiten“.
Wir bekommen eine Chance
Das Ende vom Lied war, dass mein Mann direkt im Büro der zuständigen Vermieterin Platz nehmen und ihr unsere ganze Geschichte erzählen durfte. Sie hatte ein offenes Ohr für die Geschichte von der Luxus-Sanierung unseres Hauses am Zionskirchplatz und der Schwierigkeit, in der Nähe eine bezahlbare Wohnung zu finden. Denn ihr Onkel war aktuell gerade von einem ähnlichen Szenario betroffen. Zum Schluss nahm sie uns in die eigentlich schon geschlossene Liste der Interessenten für die Wohnung auf, versprach, uns das Exposé zu schicken und uns zum Besichtigungstermin einzuladen.
Ich war nicht wirklich überzeugt, dass diese Wohnung das Ende vom Lied sein sollte. Wir hatten ja noch nicht mal etwas besichtigt! In mir sträubte es sich ein bisschen gegen den kleinen Neubau in einem der ärmsten Viertel der Stadt, Garten hin oder her…
Ich erwägte also unsere Optionen:
Option 1: Zur Not bleiben wir doch.
Wir sagten uns: Falls sich tatsächlich nichts Akzeptables findet, bleiben wir einfach doch in unserer jetzigen Wohnung, sitzen die Situation aus, kämpfen und bringen nach der unerwünschten Sanierung irgendwie die höhere Miete auf. Immerhin war ja unsere Wohnung wunder-wunderschön, und der Preis hätte auch nach der saftigen Mieterhöhung immer noch unter den durchschnittlichen Neuvermietungs-Preisen des Viertels gelegen. Zwar würden wir dann keine Abfindung erhalten, aber wir hätten weiterhin eine traumhafte Wohnung in Mitte. Definitiv eine Option.
Option 2: Raus aus dem Zentrum
Oder doch irgendetwas Eigenwilliges außerhalb des Zentrums finden und S-Bahn-Kunde werden? Wir hatten gerade eine Reportage über ein Pärchen gelesen, das auf einem spottbilligen, zerzausten Grundstück am Rande eines Gewerbegebiets außerhalb des S-Bahn-Rings einen idyllischen Garten angelegt und sich aus Containern ein tolles (echt cooles!) Niedrig-Energie-Haus gebaut hatte, das nicht viel gekostet hatte. In der allergrößten Not würden wir sowas machen. — (Jedoch fanden wir kurz darauf heraus, dass man in der ganzen Stadt bis über den Stadtrand hinaus keine günstigen Grundstücke mehr fand, egal ob „zerzaust“ oder nicht. Und ob die Abfindung für ein Grundstück plus Niedrigenergie-Haus aus Containern reichen würde…. wahrscheinlich nicht.)
Option 3: Der gute alte Zettel am Baum
Wir gaben uns noch ein wenig Zeit. Hörten uns weiter um, sagten weiterhin allen Leuten, die wir trafen, Bescheid, dass wir suchten. Falls sich bis Mitte März über Freundeskreis & Co. nichts ergeben würde, nahmen wir uns vor, Zettel an Bäumen und Ampeln des Kiezes aufzuhängen („Wohnung von netter Familie hier im Kiez gesucht, Belohnung bei erfolgreicher Vermittlung 1000 Euro“). Wir wollten rund um die Schule anfangen und uns kreisförmig immer weiter nach außen vorarbeiten. So hatten wir 2008 unsere tolle Wohnung am Zionskirchplatz nämlich auch gefunden.
Option 4: Die Wohnung im Brunnenviertel
Und dann eben die leer stehende Wohnung im Brunnenviertel.
Die Entscheidung brachte mein toter Onkel
Die Überschrift klingt jetzt vielleicht ein bisschen makaber. Aber als ich Ende Februar anlässlich der Beerdigung meines Onkels zu meiner Mutter nach Süddeutschland fuhr, hatte ich naturgemäß etwas Abstand zur Wohnungsfrage und der Situation in Berlin. Im Rahmen der Familienzusammenkunft setzte ich meiner Mutter und meinen Brüdern einen Tag vor der Beerdigung unsere Wohnungs-Optionen auseinander. Da wurde mir plötzlich klar, dass wir eigentlich nur eine einzige Chance hatten, zu einer halbwegs schönen Bleibe für vier Leute zu kommen: Die Wohnung im Brunnenviertel. Denn es war das einzige halbwegs in Frage kommende Angebot, das wir in sechs Wochen aufgetan hatten.
Eigentlich total attraktiv…
Und es fiel mir gleichzeitig wie Schuppen von den Augen: Wie absolut genial und um so viel besser als jedes online gesehene und preislich akzeptble Angebot wäre es, eine 4-5-Zimmer-Wohnung mit Garten (!) im Berliner Zentrum zu bewohnen, die auch noch komplett ruhig und von Bäumen und Gesträuch umgeben in einer Art Park liegt? Ohne ein einziges Dezibel Autolärm, nur mit Vogelgezwitscher und Grün vor der Haustür?! Warum hatte ich nicht sofort, SOFORT gesehen, wie attraktiv diese Wohnung war, wie mein Mann?!
Der Wunsch wurde dringend
Das Problem war jetzt: Der Wunsch, dass es mit dieser Wohnung klappt, wurde jetzt schmerzhaft und dringend. Und es standen außer uns noch viele andere Leute auf der Interessenten-Liste…
Die optimale Bewerbung
Die offizielle Bewerbung und der Besichtigungstermin standen jetzt an. Für die Bewerbung um diese Wohnung legte ich mich extra ins Zeug.
Ich wusste: Bei der Besichtigung auf die Vermieter einreden und sich lieb Kind machen, bringt gar nichts. Wie sollen sich die Leute Deinen Namen merken? Die anderen quatschen sie doch auch zu. Außerdem, so nahm ich an, hat kein Vermieter Spaß daran, sich bei Besichtigungsterminen volllabern zu lassen. Die Demütigung, die man als Bewerber dabei empfindet, mal ganz beiseite gelassen.
Also machten wir es anders:
Zu allererst machten wir schon zum Besichtigungstermin alle Unterlagen fertig (gut, das ist glaube ich mittlerweile Standard…): ein freundliches Anschreiben, in dem wir davon absahen, all die Gründe aufzuzählen, warum wir die Wohnung unbedingt haben wollen. Das fassten wir in einem klaren Satz zusammen. Sondern wir machten klar, dass wir freundliche, kooperationsbereite und unkomplizierte Mieter sind, die gut mit jeglicher Nachbarschaft zurechtkommen. Denn man muss sich doch fragen: Was will der Vermieter? Das ist ganz einfach: Sie suchen Leute, die keinen Stress machen. Mit denen man reden kann. Die nicht nerven. Die möglichst nicht rauchen und die Wohnung runterrocken. Kurz: Kompromissbereite, anständige Leute.
Also ganz wichtig: Wir legten eine kurze Vorstellung von uns als Familie bei („Das sind wir:“) mit schönem Familienfoto (emotional und vor allem zur Wiedererkennung!). Außerdem dabei: Der ausgefüllte offizielle Bewerbungs-Bogen (wann können Sie einziehen? (natürlich sofort!) Haben Sie Haustiere? (nein!) usw). Schufa-Auskunft, Verdienstnachweise, Kopien der Personalausweise, Nachweis über Mietschuldenfreiheit des jetzigen Vermieters. Alles, was gewünscht war, ordentlich zusammengeheftet, aber nicht überkandidelt.
Der Besichtigungstermin
Und was für eine schöne Überraschung erlebten wir bei der Besichtigung. Die Wohnung war von ihrer Art und ihrem Schnitt absolut zauberhaft. Es war eigentlich eine Art Reihenhaus im Bauhaus-Stil, mit eigenem Eingang und zwei Etagen (!), die durch eine Treppe miteinander verbunden waren. Die Wohnung hatte knapp 120 qm und war viel größer als es von außen ausgesehen hatte. Denn das obere Stockwerk war doppelt so groß wie das untere.
Die Wohnung hatte Bad, Gäste-Toilette, eine Wohnküche und FÜNF ZIMMER. Die waren zwar nicht riesig, aber hey: Fünf Zimmer mit Garten zur Miete, mitten in Berlin! Alles in der Wohnung war total praktisch angelegt, kein Platz war verschwendet. Von der Architektur her erinnerte die Wohnung ein bisschen an die Meisterhäuser des Bauhauses in Dessau. Die Räume waren absolut funktional angeordnet und geschnitten, mit interessanten Details wie einem Treppengeländer aus rundem Stahlrohr, Wintergarten-ähnlichen Fensterfronten in Wohnzimmer und Küche sowie Innenfenstern mit Holzrahmen zwischen Küche und Garderobe. Und trotz vielen Fenstern genügend Stellfläche an den Wänden in jedem Raum.
Die Nachteile
Aber es gab auch Nachteile, die jedoch nicht aufs Konto des ursprünglichen Architekten gingen: Irgendein anspruchsloser Renovierungsbeauftragter der Degewo hatte offensichtlich entschieden, auf die zig alten Tapetenschichten der letzten 35 Jahre einfach nochmal eine Schicht Rauhfasertapete draufzuklatschen und diese in manchen Zimmern in „trendy“ Farben zu streichen. Das waren in unserem Fall: Mint, Hellgelb, Hellorange und „Cappucino“. Die Decke des oberen Flurs war zudem mit furchtbaren strukturierten Kunststoff-Platten abgehängt, die die Bauhaus-Anleihen der Architektektur regelrecht beleidigten. Der Boden war dunkelbraun in Holzoptik, jedoch immerhin: Es handelte sich nicht um PVC, wie wir erfuhren, sondern um echtes Linoleum, ein hochpreisiges Naturmaterial.
Bei uns zog sich wegen dem Boden (wir hätten so gern Holz gehabt!), aber vor allem wegen Cappuccino & Co. sowie den Platten an der Decke ganz leicht der Magen zusammen. Aber wir wussten auch: All das lässt sich beheben. Es wäre nicht das erste Mal für uns, Tapeten mehrerer Jahrzehnte irgendwo abzuziehen. Ich habe das in jeder meiner ehemaligen Studenten-Altbauwohnungen gemacht. Deckenplatten lassen sich wieder abmontieren. Zur Not könnten wir uns von der Abfindung sogar einen Holzboden leisten. Wir hatten bereits die Information bekommen, dass man einen kleinen Zuschuss für Verschönerungsmaßnahmen vom Vermieter bekommen könne, und dass man sich die Wohnung so herrichten dürfe, wie man wolle.
Trotzdem verliebt
Trotz Cappuccino und Strukturplatten: Wir waren verliebt. Das musste man sich mal vorstellen: Fünf Zimmer plus Wohnküche und zwei Bäder auf zwei Etagen in einer Art Bauhaus-Wohnung mit Garten in einem grünen Idyll in Berlin-Mitte. Wie traumhaft war das denn! Denn wenn Lage, Schnitt und Grundcharakter einer Wohnung stimmen, sind Renovierungsmaßnahmen wie Wand-, Boden- und Deckengestaltung ein Klacks. Und dass das Idyll mitten in einem prekären Problemviertel liegt, rückt dann auch in den Hintergrund.
Also: Trotz der kosmetischen Nachteile standen uns instantan rote Herzchen in den Augen. Was für eine schöne Wohnung!
Jetzt nur noch kriegen…
Die nette Frau, mit der mein Mann schon bei der Wohnungsgesellschaft gesprochen hatte, war auch beim Besichtigungstermin. Ihr drückten wir nach einem kurzen Rundgang durch die Wohnung unsere komplette Bewerbung in die Hand, sagten, „Das sind unsere vollständigen Unterlagen. Wir würden uns sehr freuen, wenn es klappt!“, schauten ihr in die Augen, verabschiedeten uns freundlich und gingen. Wir ließen eine Schar Leute zurück, die aufgeregt auf die Vermieterin einredeten und an den Haaren herbeigezogene Fragen stellten, um „im Gedächtnis zu bleiben“. Wir aber wussten: Sie weiß, wer wir sind, und das Foto in der Bewerbungsmappe wird sie an uns erinnern.
Zittern und Bangen
Es folgten zwei Wochen Bangen und Hoffen. Wir behielten alle anderen „Optionen“ weiterhin im Blick, durchkämmten sämtliche Immobilienangebote von „Kleines Haus am Stadtrand“ über „Grundstück in Lichtenberg“ bis hin zu „Schöne Altbau-Komfortwohnung in Prenzlauer Berg“, die wir auftun konnten. Aber es ergab sich nichts auch nur annähernd so Gutes (und Bezahlbares!) wie die Wohnung im Brunnenviertel. Wir – ich auch! – fingen an, die Wohnung in der schönen Anlage absolut zu idealisieren, obwohl wir uns gleichzeitig nicht erlauben wollten, ernsthaft damit zu rechnen.
Es waren zu viele Leute beim Besichtigungstermin gewesen. Darunter war auch ein äußerst gepflegt aussehendes Paar mit zwei hübschen blonden Jungs gewesen, das von der Oma der Kinder begleitet wurde. Wir hatten mitbekommen, wie die „Hamburger Oma“ die Vermieterin zur Seite genommen hatte und ihr gesteckt hatte, sie wolle ihre Tochter und ihren Schwiegersohn finanziell großzügig unterstützen, wenn sie die Wohnung dann umbauen würden. Die Vermieterin ließ sich nicht anmerken, was sie davon hielt.
Unsere ehemalige Tagesmutter riet uns, positiv an die Wohnung zu denken, unseren Wunsch und positive Energie ins Universum zu schicken. Das versuchte ich. Leicht fiel es mir nicht. Wie kann man etwas denken, was man sich nicht traut zu glauben? Verdammt, warum gab es immer Leute, die Geld von ihren reichen West-Eltern bekamen und sich nicht scheuten, damit zu prahlen? Ich sagte zu meinem Mann: „Wenn diese Hamburger die Wohnung bekommen, lauf ich Amok!“
Aber dann kam eines Abends, zwei Wochen nach dem Besichtigungstermin, ein Anruf von der Vermieterin. Wenn wir wollten, könnten wir die Wohnung haben. Ob wir denn noch interessiert wären? — Und ob!
Wir haben eine bezahlbare Wohnung in Berlin!!!
Unsere Freude könnt Ihr Euch wohl vorstellen! — Eine Woche später, während eines komatösen Fieberschlafs der großen Tochter wegen Grippe, unterschrieben wir bei der Degewo den Mietvertrag. Ein paar Tage später erhielten wir den Schlüssel sowie die Genehmigung, in der Wohnung loszulegen. Der Mietbeginn lag zwar schon in zwei Wochen (glücklicherweise hatten wir angegeben, sofort einziehen zu können!). Das bedeutete, dass wir einen Monat doppelt Miete zahlen würden. Egal, sagten wir uns. Wir haben eine bezahlbare Wohnung gefunden! Eine kleines Haus mit Garten! Mitten in Berlin!
Sechs Wochen Schufterei
Wir haben dann sechs Wochen lang in jeder freien Minute renoviert. Wir zogen eigenhändig alle Tapeten ab (eine Höllenarbeit, will ich nie wieder machen!). Wir verputzten und spachtelten die Wände. Wir ersetzten die Scheuerleisten aus Plastik durch welche aus Holz. Wir fliesten die Küche neu mit Mosaikfliesen aus silbergrauem Stahl. Wir richteten die Küche ein, d.h. wir strichen unsere alten, geliebten Küchenmöbel aus der alten Wohnung in einem warmen Hellgrau und ergänzten, wo noch was fehlte.
Alles Hässliche raus
Die strukturierten Deckenplatten im hohen Flur ließen wir entfernen. Den Flur und die hohen Treppenwände ließen wir spachteln. Wir strichen die Wände innen mit hellen Farben von Farrow & Balls.
Das Akzeptable bleibt
Nach langem Überlegen entschieden wir uns dafür, den braunen Linoleum-Boden zu belassen. Er war sehr hochwertig und ökologisch. Und da er gerade erst gelegt worden war, hätten wir es als Frevel empfunden, ihn gleich wieder rauszureißen, nur um aufwändig und teuer einen Holzboden legen zu lassen. Erstens aus ökologischen Gründen (die Energie und die Rohstoffe, die aufgewendet wurden und verschwendet worden wären!), aber auch aus Respekt vor der Arbeit der Bodenleger. Als ich auf Pinterest ein paar absolut traumhafte Inneneinrichtungen mit ähnlichen Böden gesehen hatte, war ich versöhnt mit dem Boden, der immerhin das Öko-Siegel „Blauer Engel“ trägt.
Heute kenne ich seinen wahren Wert: Er ist absolut schmutz-unempfindlich. Auch wenn man mal länger nicht putzt, sieht man das nicht. Was kann es Besseres geben, wenn man Kinder und Hunde hat und Parterre wohnt?
Grün statt Stein
Und natürlich der Garten! Wir entfernten die hässlichen Waschbeton-Platten und verschenkten sie über Ebay Kleinanzeigen (sie wurden noch am selben Abend abgeholt…). Wir bauten eine Holzterrasse und pflanzten Sträucher, Beeren, Wiese und Blumen.
Und schon im ersten Sommer war aus dem Stück Betonwüste ein blühendes Stück Paradies geworden:
Unser Fazit nach 5 Jahren Brunnenviertel
Das Fazit ist: Wir LIEBEN es, hier zu wohnen! Unser WLAN haben wir „Paradies“ getauft, weil wir unseren Wohnort so überirdisch schön finden. Fast täglich beglückwünschen wir uns selbst, hier gelandet zu sein. Wir empfinden die Lebensqualität hier als viel, viel größer als am elitären Zionskirchplatz.
Das hat verschiedene Gründe. Wir lieben natürlich erstmal unser zweistöckiges Häuschen und den Garten. Das Brunnenviertel an sich ist eher nicht so der Hit, um es mal euphemistisch auszudrücken, aber nicht so schlimm wie befürchtet. Es liegt immerhin innerhalb des S-Bahn-Rings und jeweils nur 500 m von den extrem anderen Bezirken Mitte und Prenzlauer Berg entfernt. Außer der Nähe zu den vertrauten Vierteln sind der hippe Mauerpark und der wunderschöne Humboldthain um die Ecke. Das wiegt alles auf.
Aber vor allem LIEBEN wir unsere Wohnanlage, die einfach der absolute Mega-Glücksgriff ist.
Warum ist es in unserer Wohnanlage so toll? — Hier die Gründe:
- Die Natur in der Stadt: Es gibt in der Anlage so viele verschiedene Bäume, Sträucher und Pflanzen rund um die Häuser, dass man sich fühlt wie in einem Botanischen Garten. Aus unseren Fenstern blickt man in dichtes Grün. Im Vergleich zu Wohnanlagen, die erst in den letzten 5-10 Jahren gebaut wurden, sind hier die Bäume und Sträucher seit ihrer Anpflanzung Anfang der 1980er Jahre schon hoch und dicht gewachsen. Alles ist gehüllt in üppiges, überbordendes Grün. Ich finde in jedem Monat des Jahres draußen etwas Natürliches zum Dekorieren und Basteln. Sogar im Januar und Februar blühen Winterjasmin, Efeu oder Ilex. Viele Vögel, Eichhörnchen, Igel und Füchse haben ein Zuhause in der Anlage. In diesem und diesem Wochenend-Bericht findest Du viele sommerliche Fotos der Wohnanlage. Herbstliche Bilder hier und hier.
- Die abwechslungsreich gestaltete Anlage: Es gibt nicht nur Bäume und Sträucher, sondern direkt ums Haus auch kleine Spielplätze, Wiesen, verschlungene Fußwege, Bänke zum Ausruhen sowie einen Gemeinschaftsgarten mit Hochbeeten. Das ist vielfältig und abwechslungsreich. Die Freiflächen sind dabei äußerst großzügig. So viel unbebaute, park-ähnliche Flächen mit Wiesen gibt es in modernen Wohnanlagen nicht. In den 80er Jahren konnte man noch verschwenderisch mit Bauflächen umgehen. Was für ein Glück für uns.
- Heiliger Geist statt Kommerz: Direkt in die Wohnanlage hinein ragt eine Klosterkirche mit großem Garten mit alten Bäumen. Auf dem Gelände leben 10 katholische Mönche. Manchmal hört man Orgelmusik oder Gesang aus der Kirche. Den Probst sieht man oft im schwarzen Talar eine ältere Dame im Rollstuhl umherschieben. Ich mag das alte Gebäude, das so eine Würde ausstrahlt. Ich hatte es auch geliebt, an der Zionskirche zu wohnen, weil mich der Geist, der von Kirchen ausgeht, beruhigt.
- Die tolerante Nachbarschaft: Unsere Nachbarschaft in der Wohnanlage ist bunt gemischt und alles andere als elitär. Wir finden das toll. Jede*r lässt den anderen sein/ihr individuelles Leben leben. Es gibt keine Norm oder „Normalität“, an die man sich zu halten hätte, um anerkannt zu sein. Jeder macht seins, unauffällig oder schräg, ganz egal. Alle respektieren einander. Ist schließlich Berlin: Leben und leben lassen. Man lässt den anderen sein, wie er ist. Normal ist, dass jeder anders lebt, zu anderen Zeiten aufsteht und zu Bett geht, isst und arbeitet. Die Wohn- und Lebensstile sind breit gefächert. Das ist es, was ich an Berlin besonders geschätzt habe, als ich Mitte der 1990er Jahre hierher gezogen bin: Dass man in Ruhe gelassen wird. Dass man leben kann, wie man will. Und dass sich niemand drum schert. Damals zog ich nach Prenzlauer Berg. Da war dort noch alles grau, unsaniert und voller schräger, interessanter Menschen. Das hat sich mittlerweile gründlich geändert. Heute leben dort vor allem sehr gut verdienende Familien, fast ausschließlich gut situierte Akademiker, gepflegt und geschmackvoll, deren höchstes Ziel es ist, ihren Kindern einen perfekten Start ins Leben zu ermöglichen. In guten Kindergärten und Schulen, mit Bio-Ernährung aus der LPG und mit einem tollen Freizeitprogramm. Wohin man auch schaut: Überall der gleiche Typ Mensch. Ganz anders im Brunnenviertel!
- Die Diversität: Die Menschen, die hier in unserer Wohnanlage wohnen, sind Menschen unterschiedlichster Herkünfte und Lebensstile. Unter unseren Nachbarn in der Wohnanlage gibt es Wohngemeinschaften, große und kleine Familien mit einem und mehreren Elternteilen, Senior*innen, Singles und Pärchen verschiedener Altersstufen. Es gibt Hartz4-Empfänger, Akademiker, Arbeiter, Handwerker, Freiberufler, Künstler und Lebenskünstler. Es gibt Familien mit Kindern in den prekären Kiez-Schulen und Familien mit Kindern in Privat- oder Waldorfschulen. Es gibt Buddhisten, Christen, Muslime und Juden. Es gibt Hellhäutige und Dunkelhäutige. Es gibt Wähler aller Parteien und Menschen aller Berufe. Es gibt Schwule, Lesben und Diverse. — Man munkelt, es gäbe auch einen Drogendealer in der Anlage, aber keiner weiß genau, wer er ist. Es gibt Menschen mit Kippas, Bommelmützen und Kopftüchern. Es gibt den katholischen Pfarrer und eine Dame, die immer perfekt gestylt im Stil der 50er Jahre auf Hackenschuhen und passender Handtasche durch die Anlage stolziert. Es gibt die ältere Frau im Pelzmantel mit den zwei trübäugigen Hunden, die immer meckert. Es gab bis vor Kurzem eine Familie mit einem Kind, einer Mutter und zwei Vätern. Es gibt die Clique Jugendlicher, die abends auf dem Spielplatz heimlich einen kiffen und leere Chipstüten auf den Boden werfen, sie dann aber beschämt aufheben, wenn man sie freundlich daran erinnert. Es gibt die engagierten Menschen, die sich hingebungsvoll um den Gemeinschaftsgarten kümmern. Es gibt den jungen Lebenskünstler in weiten Yoga-Hosen, der teils von Hartz4 und teils von Gelegenheits-Jobs lebt, ernsthaft Yoga praktiziert und im Bürgerzentrum des Kiezes Bewegungs-Kurse für Jugendliche aus prekären Elternhäuser anbietet. Es gibt die blasse junge Frau, die immer schwarz angezogen ist und ihre Katze an der Leine spazieren führt. Es gibt eine evangelische Pfarrersfamilie mit vier Kindern. Es gibt zwei Kindergarten-Betreiber*innen und zwei Tagesmütter. Es gibt die Großfamilie mit dunklen Haaren, die abends bei offenem Fenster in einem großen Raum im Neonlicht im Kreis sitzen, diskutieren, lachen und schimpfen, Tee trinken und rauchen. Es gibt außerdem den „Clan“ (wir nennen die zum Spaß so), das ist eine lose Großfamilie mit gefühlt 15 blonden und rothaarigen Angehörigen, die in unterschiedlichen Konstellationen im Areal spazieren gehen. Und alle haben hier einen Platz und dürfen sein, wie sie sind.
- Es ist hier ein Traum für Kinder: Direkt ums Haus herum gibt es verschiedene kleine Spielplätze und Gebüsche zum Lagerbauen und Verstecken. Die verschlungenen Wege um die Häuser eignen sich hervorragend zum Rad- und Rollschuhfahren. Nachbarskinder gibt es in Hülle und Fülle – man muss nur rausgehen und sich Spielkameraden suchen. Unsere Kinder treffen dabei auf Kinder aller Hautfarben, Religionen und sozialer Schichten. Die Kinder klingeln unangemeldet beieinander und spielen mit denen, die gerade da sind. Unsere Haustür steht sommers oft stundenlang offen, weil unsere und die Nachbars-Kinder rein- und rausrennen. Weil die Kinder sich schnell ein Glas Wasser, ein Eis, einen Ball oder die Rollerblades holen wollen.
- Für mich war es eine solche Erleichterung, nicht mehr unsere Siebensachen zusammen packen zu müssen, um „rauszugehen“. Spielplatz- und Parkbesuche waren immer eine richtige Unternehmung, die mit viel Gepacke und anstrengenden Aufbruch-Situationen zu tun hatten. Aber hier können die Kinder einfach die Tür aufmachen und selbständig rausgehen, so wie sie sind. Auch barfuß oder ohne Jacke und Mütze, wenn’s sein muss. Autos können in die Wohnanlage nicht rein. Und wenn die Kinder was brauchen, kommen sie schnell zurück ins Haus.
- Die Eckkneipe vor der Tür: Wir Erwachsenen haben in der warmen Jahreszeit einen Biertisch unter dem Walnussbaum auf dem „Dorfanger“ zwischen den Häusern stehen, da sitzen wir abends und trinken was. Nachbarn kommen auf dem Nachhauseweg vorbei, setzen sich kurz dazu. Man tauscht sich aus, erzählt, schimpft über das eine oder andere. Man gehört irgendwie zusammen, obwohl man ganz unterschiedlich lebt. Wie in der alten Eckkneipe. Unverbindlich, aber vertraut. (Eckkneipen gibt es hier im Kiez auch nicht mehr.)
- Und zu guter Letzt: Die Verkehrsanbindung. Von unserem Haus aus gehen wir 10 Minuten zu Fuß zum Bahnhof Gesundbrunnen, von wo aus Fernzüge bis nach München fahren und uns der FEX in 25 Minuten zum Flughafen BER bringt. Der Regionalzug, der uns zu unserem Haus auf dem Land bringt, hält hier auch. Es sind 4 U-Bahn-Stationen zum Alexanderplatz. Die Straßenbahn M10 fährt 10 Minuten zum Hauptbahnhof. Zur Schule der Kinder fahren wir 15 Minuten mit dem Rad.
Zusammengefasst…
Für mich ist in unserer Wohnanlage Wirklichkeit, was ich mir unter einem idealen Großstadtleben vorstelle. Hier leben Menschen ganz unterschiedlicher Lebensstile friedlich zusammen. Jeder darf sein, wer er ist. Und es gibt Ruhe und Natur. Bei uns hört man keinerlei Verkehrslärm, nur Vogelgezwitscher und Kinderlachen.
Das wäre geschafft.
Wir hatten also eine große, bezahlbare Wohnung im Berliner Zentrum gefunden. Das bedeutete:
Der Weg, um die Abfindung zu erhalten, war frei.
Natürlich setzten wir nach der Unterzeichnung des Mietvertrags die Kündigung unserer Wohnung am Zionskirchplatz sofort in Gang, und starteten mit den Verhandlungen bezüglich der Abfindung. Leider darf ich euch nicht verraten, wie viel wir bekommen haben. Von Menschen, die in ähnlichen Lagen waren, habe ich aber gehört, dass es vergleichsweise viel war. Dazu muss ich sagen, dass wir clever verhandelt haben, und dass unsere Wohnung groß und traumhaft war. Dass wir auszogen, hat den Wert des Hauses für den Eigentümer auf jeden Fall um viel mehr gesteigert, als wir bekommen haben.
Und entgegen der Annahme meiner ängstlichen Schwiegereltern, die glaubten, das könne doch alles nur Lug und Trug sein, wurde die Abfindung tatsächlich unverzüglich ausgezahlt, sobald wir die Wohnung 6 Wochen später geräumt hatten.
Wir hatten plötzlich Geld.
In der nächsten Folge liest Du…
Was man alles mit einer fünfstelligen Summe Euros anfangen kann, welche Ideen und Gedanken wir dazu hatten, warum wir uns schließlich entschieden, das Geld in ein Refugium auf dem Land zu stecken und vor allem: wie wir unser Haus auf dem Land dann schließlich gefunden haben, liest Du in Teil 3, den ich so schnell wie möglich zu schreiben gedenke.
Ich freue mich über Gedanken und Kommentare!
Deine Maike
Hier geht es zu Teil 3 der Serie, in dem wir endlich unser Haus auf dem Land finden.
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Eine bezahlbare Wohnung in der heutigen Zeit zu finden ist fast unmöglich geworden, auch Berlin scheint sich eher im höheren Bereich zu befinden. Sollte es diesbezüglich nicht ein Gesetz geben?
Ja, in der Tat, da stimme ich Dir zu! Gering Verdienende finden in Innenstädten großer Städte wie München, Hamburg und Berlin eigentlich keinen Wohnraum mehr. In Berlin ist der Zug der günstigen Wohnungen auch längst abgefahren, jedenfalls was die beliebten Innenstadt-Bezirke angeht. Was Bezahlbares kann man noch in Plattenbauten außerhalb des Zentrums finden.
Der soziale Wohnungsbau müsste dringend und ganz umfangreich angekurbelt werden. Auch in Innenstädten! Wien leistet da z.B. großartige Arbeit. Davon könnten sich die deutschen Großstädte ein Scheibchen abschneiden!
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Hallo Maike, jetzt warte ich gespannt auf Teil 3. Wann kommt er? Liebe Grüße von Conni
Bald!! ich habe ihn fast fertig, komme aber aktuell kaum zum konzentrierten Schreiben! Bitte noch ein bisschen Geduld! Daaaaaaaanke! <3
Liebe Maike,
zuallererst: Du schreibst so toll und spannend! Und ich muss wissen, wie es weitergeht! Wie Ihr zu dem Haus auf dem Land gekommen seid und was da sonst noch in Eurem Leben passiert.
Ich habe Dich und Dein Blog gestern zufällig über einen Pinterest-Pin (Mohn-Stempeln) gefunden und jetzt muss ich alles lesen, was Du bisher so geschrieben hast. Nochmal: Du schreibst so wunderbar!
Bei Bloglovin habe ich Dich nun abonniert, damit ich hier nix mehr verpasse.
Ich freue mich auf Teil 3 und sende Dir ganz liebe Grüße,
Juliane
Lieber Juliane, ich danke Dir so sehr! Du glaubst gar nicht, wie ich mich über so eine Rückmeldung wie Deine freue! Das macht mich so richtig froh!
Ja, es geht bald weiter mit dem Bericht über das Haus auf dem Land… es warten schon einige Menschen auf die Fortsetzung. Jetzt sind halt leider Sommerferien und deswegen komme ich wegen der Kinder nicht zu so viel Schreibarbeit am Blog wie eigentlich gewünscht… aber ich habe vor, diese Woche an der Fortsetzung zu schreiben!
Ganz liebe Grüße an Dich und tausendmal danke! <3 Deine Maike
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Liebe Maike,
Teil 1 und 2 sind schon mega spannend, ich freue mich auf den dritten Teil und bin sehr neugierig, wie ihr dann letztendlich zu eurem Haus gekommen seid. Beim Lesen wurde mir mal wieder bewusst, was für ein Glück wir haben in einer eigenen Wohnung im ruhigen Wohngebiet, nahe am Wald wohnen zu dürfen.
Liebe Grüße und alles Gute für dich und deine Familie 🙂
Liebe Franziska, da habt Ihr auf jeden Fall Glück! Es ist ein riesiges Geschenk — besonders der Wald, oder Wiesen nah am Haus. Ich schreibe den dritten Teil baldmöglichst! Hoffentlich schaff ich es im Laufe des Juli.
Liebe Grüße an Dich!
Liebe Maike,
die Geschichte erinnert mich ein wenig an unsere Wohnungssuche hier in Wien.
Wir hatten das „Glück“, als Zugezogene nicht ganz so gut Bescheid zu wissen über Vorurteile, ernteten aber ziemliches Kopfschütteln von Bekannten und Freund.innen, als wir uns entschlossen, eine Wohnung in Simmering zu kaufen (in der Nähe des Zentralfriedhofs). Ein sehr gemischter ehemaliger „Arbeiterbezirk“ mit viel Sozialwohnungen. Brennpunktschulen…
Trotzdem sind wir hier sehr glücklich – wir haben eine große Wohnung mit kleinem Garten, U- Bahn- Anschluss und vergleichsweise viel Grün um uns herum.
Liebe Elisabeth, wie gut, dass Ihr noch nicht von Vorurteilen vorgeprägt wart. Wiens sozialer Wohnungsbau ist ja im Gegensatz zu Berlin absolut vorbildlich. Es gibt tolle Wohnprojekte in Wien, ich habe darüber mal einen Bericht gesehen. Ich finde immer, Grün macht (fast) alles wett. Zumindest unsere Straße im Brunnenviertel ist auch sehr, sehr grün, mit einem breiten parkähnlichen Streifen und schönen Plätzen, altem Baumbestand usw. Das genieße ich sehr. Wie immer herzliche Grüße an Dich! Von Maike
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Es war unheimlich spannend zu lesen und irgendwie konnte man richtig mitfühlen, wobei eine solche Wohnungssuche mit Sorgen und Existenzängsten usw haben wir noch nicht erlebt… Gott sei Dank!
Es freut mich aber sehr, dass es für euch so positiv ausgegangen ist!!!
Und nun kann ich den dritten Teil kaum abwarten
Denn ich habe mich die ganze Zeit schon gefragt, wie das in Berlin klappt…. Wohnung und Haus auf dem Land
Ganz liebe Grüße
Christina (aus dem Unbedarften Mittelhessen)
Liebe Christina, ich hoffe, ich schaffe den dritten Teil bald! Ihr könnt auf jeden Fall froh sein, sowas nicht erlebt zu haben… es ist ganz schön stressig. Wir hatten Glück, aber nicht alle haben das. Es werden viele Leute verdrängt, die nicht die Mittel haben, etwas zu kaufen. Wir hätten uns ein Haus oder eine Wohnung in Berlin zum Kauf niemals leisten können. Wer das kann, ist natürlich fein raus. Obwohl…. es ist auch nicht so leicht, etwas zum Kaufen zu finden. Es ist in Berlin wirklich schwierig geworden in den letzten Jahren.
Danke jedenfalls für Deine Rückmeldung! Liebe Grüße an Dich!
Liebe Maike,
das hört sich einfach toll an!
Das Schönste finde ich, dass du tatsächlich erstmal „eine Beziehung“ zu dieser Wohnung/Haus aufgebaut hast.
Ich finde es sehr bereichernd (auch für deine Kinder), dass ihr nicht in einem „geschleckten Kiez mit überwiegend priviligierten Menschen“ wohnt.
Das Leben ist vielfältig! Und so auch die Menschen!
Der Garten ist eine richtig schöne kleine Oase geworden.
Und das Beste ist: Ihr werdet nicht mehr das Problem haben, dass ihr gekündigt werdet!
Ich freue mich für euch und ich freue mich auf weitere Erzählungen von dir!
Herzliche Grüße von
Kiki
Liebe Kiki, lieben Dank für Deinen Kommentar! Genau so ist es. Als ganz besonders beruhigend empfinden wir es tatsächlich, dass wir hier nicht so leicht gekündigt werden können, weil nicht Privat-Vermieter, sondern landeseigene Wohnungsgesellschaft.
Wir empfinden das Wohnen hier als absolute Bereicherung. Auch für uns selbst. Wir hatten nie auch nur ein Stückchen Probleme damit, „mit wem unsere Kinder spielen“. Sie dürfen mit jedem spielen, der/die hier wohnt. Und wir freuen uns, wenn Kinder zu uns kommen, ganz egal ob sie privilegierte Kinder sind oder ganz unterprivilegierte. Sie alle sind liebenswert und dürfen gern mit unseren Kindern zusammen sein. Es ist sogar wichtig, finde ich, dass unsere Kinder sehen, dass Familien und Lebensweisen ganz unterschiedlich sind. Dass bei der Freundin den ganzen Tag der Fernseher läuft, Mama nicht da ist und in der Küche nur Chips rumliegen. Dass es oft keinen Papa gibt und Mama mal für eine Tag nach Polen fährt, um einzukaufen (oder was auch immer), und das Kind den ganzen Tag auf dem Spielplatz rumhängt (und zum Abend bei uns verköstigt wird). Oder dass ein Mädchen noch nie Vollkornbrot gegessen hat und die Augen verzückt verdreht bei Vollkornbrot mit Tomate und Schnittlauch. Das alles haben wir hier erlebt. Und ich bin froh. dass meine Kinder das mitkriegen. Weil die Welt eben so ist. Weil es nicht allen Menschen supergut geht. Und weil alle Kinder liebenswert sind.
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Spannend! Danke für den Einblick.
Liebe Maike, ich bedanke mich von Herzen für Deinen Artikel. Zugegeben habe ich darauf gewartet denn ich war gespannt wie ihr Euer Wohnproblem gelöst habt. Wir stehen hier in Dresden vor einem ähnlichen Problem bzw standen. Nun ziehen wir auch vom äußert gut situierten Akademikerviertel in ein naturnahen dass aber direkt an einem Plattenbauviertel liegt wo natürlich das Publikum ein anderes ist. Ind ich schäme mich für meine Vorurteile und dennoch habe ich Bedenken mot dem unsere Kinder spielen etc. Aber Dein Artikel macht mor Mut. Wir wollen nicht soviel ausgeben weil wir noch genug Zeit für unsere Kinder haben wollen. Sie gehen auf eine tolle Schule die aber im gleichen Plattenbaugebiet liegt aner sooo toll ist wo wir dankbar sind. Und auch wir merken im Plattenbau wohnen tolle Leute. Wirklich schlimm diese Vorurteile. Alles Gute Eucz und Danke fpr di3 Geschichte
Liebe Maria, Du hast so recht! Vorurteile sind immer furchtbar. Ich hatte eigentlich kaum welche, aber ich muss nach fünf Jahren hier im Kiez sagen, dass hier tatsächlich nicht alles rosig ist… aber das Brunnenviertel ist halt schon sehr extrem. In unserer Wohnanlage ist es aber total schön. Und die Anlage ist nicht abgeschlossen, jeder kann hier rein und die Spielplätze nutzen, nicht nur die Leute, die hier wohnen. Es ist also KEINE „gated Community“ — das fänden wir als soziale Menschen total schrecklich. —- Ihr habt es also auch gut getroffen! Das freut mich!
Vielen Dank für Deine Rückmeldung und liebe Grüße!
Liebe Maike,
das liest sich alles total spannend. Wir wohnen als 5-köpfige Familie in Leipzig zur Miete und hoffen auch, dass unser sozial eingestellter, betagter und leider herzkranker Vermieter noch ganz lange lebt. Auch hier hat sich die Situation in den letzten 10-15 Jahren drastisch verschärft, was große und dennoch bezahlbare Wohnungen angeht. Aber Euer Wohnungs-Werdegang hört sich toll an und schürt die Hoffnung, dass man im Fall der Fälle schon irgendwo etwas passendes finden wird. Danke für den mega-ausführlichen Einblick!
Liebe Grüße aus Leipzig,
Anja
Liebe Anja, vielen Dank für Deine Rückmeldung. Ich wünsche Euch ganz viel Gesundheit für den Vermieter! Ich glaube, man muss über den eigenen Tellerrand hinausschauen und Optionen erwägen, die einem erstmal nicht in den Sinn kommen. „Freiwillig“ hätten wir wahrscheinlich nicht im Brunnenviertel gesucht… nur weil wir das Ausnahme-Idyll schon kannten, sind wir auf dieses Juwel von Wohnung gestoßen. Deswegen: Unbedingt über den eigenen Tellerrand schauen, seltsame Viertel in Betracht ziehen usw.!
Wow, das klingt ja so spannend. Alles Gute weiterhin für Sie und die Familie. Herzlichen Glückwunsch zu dieser wundervollen Wohnsituation. Das ist ein Geschenk für Kinder, diese Freiheit und Vielfalt. Und für die Eltern auch!
Vielen lieben Dank, Almut!! Ja, wir sind hier sehr glücklich!
Liebe Almut, danke! <3 <3 <3