
Dieses herrliche Wochenende war ich im Thüringer Wald allein wandern.
Ich liebe es ja, allein zu verreisen. Beim Wandern in der Natur ohne Gesellschaft habe ich immer das Gefühl, mir selbst ganz nahe zu sein, ganz präsent in der Gegenwart zu sein, und einen besseren Zugang zu meinen Gefühlen zu haben. Ich lasse beim Laufen die Gedanken frei schweifen, und manchmal werde ich dann von einem Gefühl überschwemmt. Das tut sehr gut. All das würde nicht passieren, wenn ich Begleitung hätte. Ich habe es wieder sehr genossen.
Also, das Wetter war am Samstag und Sonntag fantastisch, sonnig und warm. Am Freitag war es einzigartig – neblig und kalt. Aber das hat der Wanderung eine ganz besondere Note verliehen.
Als Gedicht der Woche habe ich die ersten beiden Strophen eines langen Gedichtes von Goethe ausgewählt, denn er hat es über die Gegend geschrieben, in der ich dieses Wochenende war. Goethe war mit seinen Freunden aus Weimar oft im Thüringer Wald, zum Schwärmen à la Sturm und Drang, zum Jagen und Wandern. In seinem Gedicht wird in den späteren Strophen die Stelle beschrieben, wo Goethe in einer Nacht mal mit seinen Freunden kampiert hat. An der Stelle bin ich heute, am Sonntag, vorbei gewandert.
Ilmenau
am 3. September 1783
Anmutig Tal! du immergrüner Hain!
Mein Herz begrüßt euch wieder auf das beste;
Entfaltet mir die schwerbehangnen Äste,
Nehmt freundlich mich in eure Schatten ein,
Erquickt von euren Höh’n, am Tag der Lieb’ und Lust,
Mit frischer Luft und Balsam meine Brust!
Wie kehrt’ ich oft mit wechselndem Geschicke,
Erhabner Berg! an deinen Fuß zurücke.
O laß mich heut an deinen sachten Höh’n
Ein jugendlich, ein neues Eden sehn!
Ich hab’ es wohl auch mit um euch verdienet:
Ich sorge still, indes ihr ruhig grünet.
(…)
Freitag, der 25. April 2025

Dieser Hirsch hängt über meinem Hotelbett. Ich mag Hirsche sehr und freue mich darüber. Hirsche wurden in der Kulturgeschichte Mitteleuropas als Krafttiere und Waldgötter wahrgenommen.


Ich habe mir heute eine Wanderung durchs romantische Vessertal vorgenommen. Ich mag die Ortsnamen hier: Kreuzweg, Mordfleck, Schwarzer Crux. Zu letzterem, einem alten Bergwerk, das in den 1920er Jahren geschlossen und verschüttet wurde, mache ich bei meiner Wanderung einen Abstecher.

Sternenmoos.



Drei Spinnennetze in den jungen Buchen beim Bergwerk.

Neben der Möglichkeit, das alte Bergwerk zu besichtigen, gibt es hier ein kleines, uriges Bergbau-Museum mit Dingen, die der Trägerverein beim Wieder-Zugänglich-Machen des Bergwerks dort gefunden hat.
Im „Lebensretter“ war eine Gasmaske oder ähnlicher Schutz.

Diese Masken interessieren mich besonders. Herr Karl Rieger, ein alter Mann, der das Bergwerk in den letzten 35 Jahren selbst ausgeräumt und instand gesetzt hat, und der auch die Führungen übernimmt, erklärt, dass das Gussformen für Fastnachtsmasken sind, die sie im Bergwerk gefunden haben. In der Gegend wurden Anfang des 20. Jahrhundert viele solcher Masken hergestellt, denn sie wurden in die USA exportiert. Irgendjemand hat in den 1920er Jahren die Gussformen als Müll im Bergwerk entsorgt.

Öllampen, die zur Beleuchtung in den Stollen dienten.

Bergbauarbeiter – Eisenfigur.

Herr Rieger führt unsere kleine Gruppe runter in den Stollen. Die Besichtigung ist total faszinierend. Das Stollen-System ist RIESIG, kilometerlang, und tief unten führt sogar ein 10km langer Gang bis nach Suhl, wo das Magnetit, das hier abgebaut wurde, abtransportiert wurde. Bis Thyssen-Krupp, die achtmal günstigeres Roteisen massenhaft abbauten und direkt verhütteten, dem Betrieb wirtschaftlich ein Ende setzte.

Nach vielen neuen Einsichten in die Welt des Bergbaus wandere ich weiter das Vessertal entlang.

Die Markierung des Vessertal-Wanderweges.

Es ist immer noch neblig, außerdem mit gefühlten 5°C auch ziemlich kalt. Ich bin froh, dass ich ein Merino-Langarmshirt, einen Kaschmirpulli und eine gefütterte Regenjacke trage. Auch eine Mütze habe ich dabei, und die brauche ich auch.

Haus im idyllischen Örtchen Vesser.

Apfelblüten bei Vesser.

Die Vesser (die die Menschen hier „Fesser“ aussprechen). Der Wanderweg führt immer an der Vesser entlang.

Außer mir ist heute kein Mensch unterwegs. Ich genieße die Stille und die urwüchsige Landschaft.

Wie im Wald bei Ronja Räubertochter.

Brücke über die Vesser.

Ein Veilchen von vielen.

Zunderschwämme an knorrigem Baum.

Das junge Grün der Buchen ist so herzerfrischend.

Ich habe die Vesser verlassen und steige nun hinter Breitenbach den Berg hoch.

Ich atme manchmal das Holz am Wegesrand ein. Es riecht so, so gut.

Vom Berg runter komme ich in Schleusingen, an diesem alten jüdischen Friedhof. Er sieht idyllisch aus, liegt aber – etwas befremdlich – mittlerweile in einem Dreieck zwischen Autobahn, Schnellstraße und Industriegebiet. Über der Böschung am oberen Bildrand verläuft die Autobahn.

Ich bin nach 18 km Wanderung richtig kaputt und gönne mir im Stadtcafé Schleusingen einen hausgemachten Walnusskuchen und Kaffee.

Ein kleiner Rundgang durch die Schleusinger Altstadt führt mich auch am Schloss vorbei. Hier befindet sich ein naturhistorisches Museum, das gerade saniert wird.
Für mich geht es heute aber nur noch per Bus zurück zum Hotel, dort in die Sauna und eine kleine Runde Schwimmen und nach dem Abendessen sofort ins Bett.
Samstag, der 26. April 2025
Ich wache mit einem schmerzenden rechten Fuß auf und bekomme schon Angst: Habe ich mich übernommen? Habe ich etwa schon wieder einen Überlastungsbruch, wie letztes Jahr???
Aber nach dem Frühstück macht der Fuß wieder mit, die Schmerzen sind verschwunden, und ich wandere los.

Heute wandere ich eine große Rundtour. Ich starte in Masserberg. Von dort geht es an verschiedenen Felsenformationen vorbei über Berg und Tal nach Fehrenbach, und von dort über die Werraquelle sowie ein Stückchen Rennsteig zurück nach Masserberg.

Der erste Felsen auf meinem Weg, der Langertfelsen. Schnell hinaufgeklettert…

…und bis zum Schiefergebirge geblickt.

Dieser Felsen heißt „Nadelöhr“ und ist Teil der Felsenlandschaft der so genannten Gießübler Schweiz. Wer durchkriecht, darf sich was wünschen. Das mache ich natürlich.

Der schöne, schmale Wanderweg („Singletrail“) führt zwischen den Felsen der Gießübler Schweiz durch.

So wandere ich am liebsten – schmale Pfade an Felsen vorbei, mit Blick ins Grün.

Der Dachsbachfelsen. Hinten geht es 100m in die Tiefe. Mich schaudert es, als ich oben stehe und mir vorstelle, dass mich jetzt jemand von hinten erschreckt….

Mehr tolle Felsen.

Kirschblüten vor Fehrenbach: Wer sieht die fliegende Biene?

Vom Aussichtsturm („Rennsteigwarte Masserberg“) kann man weit über den Thüringer Wald blicken.
Ich bin heute 17 km die Berge hoch- und runtergewandert und wanke die letzten Schritte zum Hotel…

Dort warten Sauna und Schwimmbad auf mich. Es tut so unbeschreiblich wohl, nach dem Wandern zu schwitzen und ein bisschen zu schwimmen.

Ich gehe spät zum Abendessen und habe dabei den Essraum fast für mich. Herrlich. Heute schlafe ich schon gegen 21 Uhr tief und fest ein.
Sonntag, der 27. April 2025
Mein letzter Tag im Thüringer Wald. Ich habe mir eine Wanderung herausgesucht, die am Rennsteigbahnhof in Schmiedefeld beginnt und endet. So kann ich das Gepäck am Bahnhof abstellen und später dort in den Zug nach Erfurt steigen.

Ich tauche am „Dr.-Wald-Pfad“ in die Stille des Thüringer Waldes ein. Mit „Dr. Wald“ ist tatsächlich der Wald gemeint, nicht ein Mensch, der so hieß. Den ersten Abschnitt wandere ich, inspiriert vom Text auf der roten Tafel, besonders leise und achtsam.

Aufgrund der Kiefern-Monokultur ist es hier ziemlich still. Leider ist so ein Monokultur-Wald ja nicht sehr artenreich. Moos und Gras auf dem Boden, kein Unterholz, kaum Vögel, leider.

Aber kurz darauf begleitet mich das Gemurmel eines Baches. Ich mag das so sehr.

Die Anemonen blühen.

Der Himmel ist blau und manche Kiefern noch gesund. Hier sind ja ganze, quadratkilometergroße Flächen vom Borkenkäfer dahingerafft worden. Zum Teil sieht es hier im Thüringer Wald gar nicht schön aus. Auch das ist Folge der Monokultur. Tja, Mensch, lass die Natur artenreich, dann ist sie auch nicht so anfällig für Schädlinge.

Ich steige in die Höhe und habe bald einen schönen Blick in die Landschaft.

Der Thüringer Wald im Frühling.

Der Wanderweg wird immer schöner.

Bald stoße ich auf den Goethe-Wanderweg, der mit diesem G gekennzeichnet ist.

Bald bin ich am „Finsteren Loch“ angelangt. Hier hat Goethe einst mit seinen Freunden gelagert. Über diesen Abgrund spricht er im oben zitierten Gedicht „Ilmenau“, das er für seinen Freund Carl August geschrieben hat, um an den Ausflug zu erinnern.

Der Bach, der zum Finsteren Loch hinunterfließt.

Hier irgendwo muss die Goethe’sche Gruppe gelagert haben.

Weiter geht’s steil bergauf über einen idyllischen Graspfad wieder in die Höhe. Der Wald wirkt hier wie ein Märchenwald. Und neben mir singt so schön ein Sommergoldhähnchen.

Neben dem Weg blüht der Sauerklee. Dann und wann genehmige ich mir ein paar Blättchen. Sie erfrischen so schön den Mund. Und gesund sind sie auch.

Und weiter geht’s auf diesem schönen Singletrail.

Heute bin ich zwar „nur“ 12,5 km gewandert, aber trotzdem habe ich keine Lust, von der Baude „Dreiherrenstein“ zu Fuß nochmal 5km Landstraße zurück zum Rennsteigbahnhof zu laufen. Zum Glück erwische ich gerade so einen Bus.
Am Rennsteigbahnhof befindet sich ein echt nettes, urtümliches Ausflugslokal, das von Wanderern, Fahrrad- und Motorradfahrern gut besucht ist. Bis mein Zug fährt, setze ich mich dort hin, esse eine Thüringer Bratwurst, trinke ein Glas lokales Bier und bin erfüllt von den schönen inneren Bildern, die mir die Wanderungen geschenkt haben.
Ich freue mich sehr auf meinen nächsten Solo-Kurzurlaub. Ich habe noch eklen Ahnung, wann ich den machen werde und wohin es gehen wird, aber Ihr werdet es erfahren, denke ich 🙂
Ich grüße Euch ganz lieb und hoffe, der Frühling ist auch bei Euch ausgebrochen und schenkt Euch ein offenes Herz und Wachstumsfreude!
Eure Maike
Das Wochenende in Bildern ist wie immer verlinkt bei Große Köpfe.