Seit Donnerstag bin ich allein auf dem Land. Ich habe hier traumhafte Tage verlebt. Es war Balsam für die Seele, den Geist und den Körper. Es war spätsommerlich warm, fast hochsommerlich, der Himmel war blau mit hoch stehenden Wolkenflocken, die Natur machte tagsüber kaum Geräusche. Es war so, wie Kurt Tucholsky es in seinem Text „Die fünfte Jahreszeit“ beschreibt: Als hielte die Natur für ein paar Tage inne, bevor es „Knack“ macht und der Herbst beginnt. Aus diesem Text stammt auch die Phrase aus der Überschrift. Denn auch für mich traf zu, dass das Räderwerk des Alltags für ein paar Tage stillstand, obwohl ich viel gearbeitet habe. Aber es fühlte sich nicht nach Arbeit an, weil ich alles ganz in meinem Tempo und ohne Verpflichtungen rund um die Kinder tun konnte. Das tat unendlich gut.
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Samstag, der 12. September 2020
Ich stehe früh auf und drehe eine Runde übers Grundstück. Überall sind Spinnennetze: Im Gras, auf der Heide, in den niedrigen Kiefern. Es ist still und filigran.
Wie ein fein gesponnener Teppich liegt das Netz zwischen den Kiefernnadeln.
Hier sieht man sogar die Spinne.
Weil es draußen so schön ist, mache ich gleich einen Spaziergang. Ich möchte schauen, ob ich wieder Pilze finde. Gestern habe ich schon welche gefunden.
Und tatsächlich: Als erstes finde ich einen Steinpilz am Waldrand, dann viele Parasole (Riesenschirmpilze) auf der Kuhweide. Davon verwendet man nur die Hüte; die Stängel schmecken bitter. Weil es hier so viele Parasole gibt, habe ich den Luxus, nur die ganz jungen Hüte nehmen zu müssen. Die schmecken am besten.
Champignons finde ich auch.
Die Kühe grasen träge auf der noch grünen Weide. Ihnen geht es gut in diesen stillen Tagen der fünften Jahreszeit.
Ich habe auch Eicheln in Hütchen und Hagebutten gefunden. Ich stelle mal wieder fest, dass man nicht losgehen sollte, um etwas Bestimmtes zu finden. Denn das klappt sehr oft nicht. Der Schlüssel liegt darin, sich überraschen zu lassen. Also nicht suchen, sondern finden. Einfach die Augen offen halten und schauen, was am Wegesrand ist. Ich glaube, das ist auch ein gutes Gleichnis fürs Leben. Es hilft oft nicht, etwas zu erzwingen, oder sich krampfhaft an ein Ziel zu klammern. Denn dabei übersieht man oft tolle Chancen. Es ist viel schlauer, sich auf den Weg zu machen und zu schauen, was passiert. Wer offen ist, Vertrauen hat, Gelegenheiten erkennt und Alternativen in Betracht zieht, wird so sehr gut fahren. Ich habe mit dieser Strategie sehr gute Erfahrungen gemacht. So sind wir zum Beispiel zu unserem Landhaus gekommen. Das will ich ja in Kürze hier mal berichten. Denn es war mitnichten so, dass wir ein klares Bild im Kopf hatten und dann zielstrebig gesucht haben und „nicht aufgegeben haben, bis wir hatten was wir suchten“. Nein, so war es überhaupt nicht.
Eher haben wir uns ganz offen auf den Weg gemacht und hatten wenige Vorstellungen. Aber darüber werde ich einmal berichten, nur Geduld.
Die alte Flasche habe ich auch im Wald gefunden. Es ist eine dicke, schwere, fast türkisfarbene Weinflasche aus DDR-Zeiten, die nach einer ausgiebigen Behandlung mit Spülmittel und Flaschenbürste richtig glänzt. Die Hagebuttenzweige machen sich darin sehr schön.
Es ist schon fast 13 Uhr, als ich meine erste Mahlzeit des Tages esse: Kartoffel-Stampf mit gebratenen Pilzen (+ Zwiebeln + Knoblauch +Butter!), darüber Zitronenthymian und eine essbare Blüte, dazu einen Salat mit Wildkräutern und Tomaten. Und ein Gläschen Weißwein. Ich lasse es mir draußen unter der Linde schmecken.
Oh je, Selfie-Time. ich brauche neue Fotos für diverse Profile und versuche, mich irgendwie akzeptabel abzulichten.
Ich bin so semi-zufrieden. Aber meine kleine Umfrage (Instagram-Story) teilt mir mit, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmenden auch nicht zufrieden mit ihren Selfies sind. Eigentlich furchtbar. Faceshaming, oder was? Ich verspreche, ich bessere mich und sage einfach: Hey, Du siehst doch gut aus! Du bist über 40, fühlst Dich wie 30 und hast viele, viele Lachfältchen. Das ist doch wunderbar!
Die Puppe, die ich gestern gemacht habe, wird auch porträtiert. Sie heißt Luise.
Tee und in Büchern schmökern auf der Bank vor dem Haus. Die Sonne scheint so schön warm, dass es eine Freude ist!
Gestern habe ich auch schon Sonnenyoga gemacht. Es tut so gut, sich der Sonne entgegen zu recken. Mein Handy macht ganz selbständig ein paar Bilder.
Das konnte ich früher mal richtig gut. Sogar auf dem Pferd. Ich habe früher voltigiert. Aber so einfach ist das gar nicht….
Tja… ich verliere das Gleichgewicht…
…und falle hin. Gut, dass das Handy sowas auch aufnimmt 🙂
Ich arrangiere den Jahreszeitentisch für September. Mit Michael und dem Drachen. Aber wahrscheinlich nehme ich alles wieder mit nach Berlin und baue es dann dort auf, weil hier ab Montag für eine Woche Gäste (Freunde von Freunden) kommen, die eher nicht so Waldorf sind.
Ich stelle Blumen im Bad auf. Leute, Blumen im Bad heben die Lebensfreude! Ich freue mich jeden Tag, wenn ich die Blumen sehe.
Die Kiste mit der Wolle steht noch rum. Sie duftet so gut nach Schaf und Mama. So gut.
Ich beschließe, noch eine Puppe anzufangen. Hier die Kopfkugel.
So weit komme ich ungefähr. Leider habe ich keinen braunen Faden hier, sonst hätte ich weiter nähen können.
Abendspaziergang.
Rosa und hellblau am Himmel.
Es wird langsam dunkel. Schön, wieder nach Hause zu kommen. Ich mache mir ein Abendbrot und schaue eine Dokumentation über Arnika auf arte. Man sieht, wie ind en Vogesen Arnika kultiviert wird und wie es dann bei Weleda und einigen Kleinproduzenten weiter verarbeitet wird. Zu Heilmitteln und Kosmetika. Ich habe ja ein Interesse an Heilkräutern (und an Weleda), da sauge ich die Bilder richtig auf.
Der ältere Mann rechts im Bild ist von Weleda France. Er hat in den letzten 30 Jahren keine einzige Arnika-Ernte verpasst. Er ist immer auf den Feldern dabei.
Die letzten 5 Minuten des Films bekomme ich nicht mehr mit, denn ich schlafe ein.
Sonntag, der 13. September 2020
Ich habe mir den Wecker auf 4:30 Uhr gestellt, denn ich habe den Plan, vor Sonnenaufgang auf den Hochsitz zu steigen und zu schauen, ob sich vielleicht Hirsche zeigen. Man hört ihre Brunft-Rufe, und ich würde doch zu gern mal Hirsche bei der Brunft beobachten.
Ich bin noch total schlaftrunken, nehme aber geistesgegenwärtig eine Decke mit und ziehe mir Wollpulli und Wolljacke an.
So liege ich in die Decke gekuschelt im Hochsitz und behalte drei Wiesen im Auge. Eine Stunde ist es noch dunkel, die Sterne glitzern und eine schmale Mondsichel steht scharf am Himmel.
Ich höre die Hirsche laut röhren, sie sind ganz in der Nähe. Ich höre sogar ihre Geweihe klicken.
Aber kein Hirsch zeigt sich, nicht mal ein Reh. Die Tiere bleiben offensichtlich lieber im Schutz des Waldes bzw. nutzen diese Wiesen nicht für ihre Brunftrituale.
Dafür erlebe ich einen wunderschönen Sonnenaufgang.
Als ich zum Haus zurückgehe, haben sich ganz viele Schäfchen über den Himmel verteilt.
Ich bin noch müde. Und mir ist kalt, obwohl es eigentlich nicht kalt ist. Mein Kreislauf ist wohl noch nicht im Gang.
Der Himmel über dem Haus. Aber mir ist kalt. Ich lasse mir sofort ein Bad ein und trinke einen heißen Tee.
Später will ich was mit den Hagebuttenzweigen anstellen. ich entscheide mich für einen Kranz.
So ist er geworden. Ich stelle noch Gläschen mit spätsommerlichen Blüten in die Mitte.
Mit einem Kürbis macht es sich auch gut. Schade, dass ich keinen kleinen Kuchen habe, ein solcher würde sich in der Mitte des Kranzes auch gut machen.
Es ist jetzt 10:30 Uhr und ich habe Hunger. Es gibt Obstsalat und Guacamole auf Butterbrot, dazu wie immer Earl Grey Tee mit Milch. Was wäre ich ohne meinen Tee?
Nach dem Frühstück räume und putze ich ein paar Stunden lang. Morgen muss das ganze Haus picobello sauber sein für die zahlenden Gäste. Die meiste Arbeit macht das Weg- und Aufräumen, aber ich putze auch Fenster und schrubbe das Bad. Die Küche mache ich morgen.
Um 16 Uhr bin ich hungrig. Ich mache Gemüsepuffer aus Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln und Paprika, dazu einen bunten Salat. Ich esse alles auf.
Danach bin ich müde. Schließlich bin ich seit 4:30 Uhr wach. Ich brauche dringend eine Pause und lege mich mit arte ins Bett. ich schaue eine Doku über strickende Männer in Island. Ich weiß ja, dass Island cool ist, aber dass dort sehr viele Männer stricken, habe ich noch nicht gehört. Super Sache. Dort strickt die ganze Bevölkerung gerne. Und zwar Island-Pullis, was sonst? Schaut Euch die Dokumentation an, es macht große Freude!
Screenshots aus dem Film. Ich bekomme den zweiten Teil nicht mit, weil ich vorher einschlafe. Herrlich, so ein später Mittagsschlaf. Ich schlafe bis fast 18 Uhr.
Zum Munterwerden nochmal ein Tee vor dem Haus. Es ist noch richtig warm. Warme Lüfte streichen angenehm um meine Wangen. Aber leider auch Mücken. Da mache ich lieber noch einen Spaziergang zum Sonnenuntergang.
Der Himmel changiert zwischen lila und gelb.
Nachdem ich diesen Beitrag hochgeladen habe, muss ich erstmal die Hornisse befreien, die ich in der Küche herumsurren höre. Jeden Abend hatte ich eine Hornisse in der Küche. Die schaffen es durchs gekippte Fenster ins Haus, finden dann aber nicht mehr raus,
Und dann werde ich mir noch den zweiten Teil des Island-Films anschauen.
Morgen, am Montag, fahre ich wieder nach Hause nach Berlin, zu Kindern, Mann und Hunden. Ich freue mich! Ich habe sie alle vermisst, so schön es hier allein auch war.
Die nächste Woche wird ein bisschen profaner als die schönen Tage hier auf dem Land. Ich habe eine herausfordernde Aufgabe und lauter administrative Angelegenheiten zu erledigen. Nächstes Wochenende sind wir in Berlin. Ich freue mich, wenn Du wieder reinschaust!
Ich wünsche Euch eine gute Woche. Vielleicht macht es bald „Knack“ und es wird Herbst?
Das fragt sich und wünscht Dir das Beste,
Deine Maike
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