Auferstanden ist nicht nur der christliche Jesus. An diesem Oster-Wochenende fühle auch ich deutlich, dass der Talgrund, den ich seit ein paar Monaten durchschritten habe, endlich vorbei ist. Ich schreite wieder aufwärts, auf ins Licht. Die „stummen Fahrten zwischen Wolken, Nacht und Meer“ (siehe Gedicht) sind vorüber. Pünktlich zu Ostern, so fühle ich, hat meine innere Auferstehung begonnen. Halleluja.
Das hat natürlich auch mit den acht Tagen zu tun, die ich bis gestern allein auf dem Land verbrachte, ganz allein in unserem Häuschen, umgeben nur von Natur und Stille. Ich habe gearbeitet und es mir wohl sein lassen. An einigen Tagen davon kannst Du hier teilhaben, z.B. hier im letzten 12 von 12, oder auch im Wochenende in Bildern vom letzten Wochenende.
Deswegen habe ich dieses Gedicht von Ernst Stadler herausgesucht. Stadler bedienst sich hier der Metapher der endenden Sintflut, um von der Auferstehung zu erzählen, wobei ich ja immer das Bild des „tiefen Tales“ verwendet habe. Aber den „Feuerbogen, den der Morgen übern Himmel schlägt“, habe ich am Samstag früh auch gesehen.
Und damit geht’s jetzt auch gleich los:
Samstag, der 15. April 2022
Als ich gegen 5:45 Uhr aufwache, zeigt mir ein Blick aus dem Fenster, dass hinter dem Wäldchen ein riesiger, RIESIGER gelber Mond steht. Heute Abend ist ja Vollmond, und der Mond ist der Erde zur Zeit sehr nah. Ich bin sofort hellwach, ziehe schnell meinen Mantel und Stiefel an und laufe aufs Feld. Ich weiß, so ein großer, dicker Mond kann in kurzer Zeit aufsteigen oder sinken, und dann isser weg.
Aber ich habe Glück. Der Mond zeigt sich mir von seiner prächtigsten Seite.
Er ist soooo groß! Ich habe noch nie so einen riesigen Mond gesehen.
Und dann kommt eine schnelle Herde Hirsche vom Waldrand her gelaufen. Ich muss sie irgendwie aufgescheucht haben. Aber als sie merken, dass keine Gefahr droht, laufen sie wieder Richtung Waldrand zurück. Irgendwie widersprüchlich – ich hätte sie gar nicht bemerkt, wenn sie in ihrer Nische am Waldrand geblieben wären.
Kurz vor 6 Uhr geht der Mond hinter den Bäumen unter.
Dafür kommt auf der anderen Seite die Sonne hoch.
Meine persönliche Ostersonne, auch wenn heute erst Ostersamstag ist.
Gestern Abend habe ich in einem Anfall von Auferstehungs-Gefühlen diesen Engel gefilzt. Die Wurzelhöhle links habe ich Anfang der Woche im Wald gefunden und mit einem Stück weißem Leinen in die verlassene Grabhöhle von Jesus verwandelt. Einen Stein habe ich draußen auch noch gefunden. Leider hatte ich nur Puppen-Stopfwolle da, deswegen ist der Engel nicht so ätherisch und fein geworden wie ich ihn mir gewünscht hätte.
Aber er passt zu mir, ich fühle ihn. Er ist mein persönlicher Auferstehungs-Engel, der mir auf meinem Weg den Berg hinan ins Licht Glück wünscht.
Ich bin ein bisschen durchgefroren und gehe in die Badewanne, während sich das Feuer in den Öfen anschickt, die Wohnräume warm zu machen. Beim Baden schmökere ich gern in Koch- und Pflanzenbestimmungsbüchern. Hier ein sehr gutes, altes, mit schönen Zeichnungen, das wir im Haus vorgefunden haben. Es stammt noch von dem Vor-Vorbesitzer, der hier viele Blumen angepflanzt hat.
Hier steht zur Schlüsselblume, dass ihre Blätter viel Vitamin C enthalten. Wusste ich gar nicht.
Arbeiten am Rechner, dazu Tee trinken und das Feuer knacken hören.
Gestern habe ich diesen Strauß draußen gepflückt. Die Anemonen im Wald, die Trauben-Hyazinthen auf dem Grundstück.
Draußen blüht jetzt der Pflaumenbaum.
Viele verschiedene Insekten und Wildbienen laben sich an den Blüten.
Unsere ganze Wiese ist voller Schlüsselblumen. Ich rupfe bei der Gelegenheit ein paar Blätter ab, als Zugabe für meinen Salat. Vitamin C kann ich gut gebrauchen.
Während ich Spargel schäle sowie Zwiebel, Tomaten, Knoblauch und Kräuter für mein Mittagessen hacke (das Ganze wird im Ofen gebacken und dann mit frisch geriebenem Parmesan gegessen), schaue ich weiter „The Marvelous Mrs Maisel“. Ich liebe den Charakter von Susie (hier links im Bild).
Am Nachmittag fahre ich nach Hause nach Berlin. Ich habe ja keinen Führerschein (nie gemacht) und ergo auch kein Auto hier. Ich muss zum Bahnhof in die Kreisstadt, der ca. 14 km von unserem Haus entfernt ist. Busse gibt es heute keine, Taxi auch nicht wirklich. Ich glaube, es gibt maximal zwei, drei Taxen hier für die ganze weitere Umgebung. Der Taxidienst hier hat einmal eine Fahrt vergessen, die wir gebucht hatten, so dass ich mich darauf nicht verlassen will. Mein Plan: Zu Fuß losgehen und Trampen. Plan B: Falls es nicht klappt, holt mein Mann mich aus Berlin mit dem Auto ab. Also alles safe.
Aber ich verlasse mich ein Stückweit aufs Trampen, denn ich gehe erst anderthalb Stunden vor Abfahrt des Zuges los, obwohl Google Maps die Gehzeit auf knapp drei Stunden bemisst. Ich habe das hier aber schon zweimal gemacht mit dem Trampen, und es hat immer gut geklappt. Es ist hier so absolut unüblich, dass jemand trampt, dass die Leute allein aus Neugierde und Überraschung über einen Menschen mit Koffer am Straßenrand anhalten. Auf die Idee zu trampen würde hier kein anderer Mensch kommen, das ist mir total klar.
Ich habe nichts dagegen, ein bisschen zu laufen. Das Wetter ist toll, und ich habe heute viel auf meinem Popo gesessen. So gehe ich mit meinem Rollkoffer und meiner Schultertasche los und pfeif mir erstmal eins.
Selfie auf der Landstraße. Ich laufe und laufe, und mir wird warm. Es vergeht fast eine halbe Stunde, bis endlich zwei Autos vorbeifahren. Aber die Insassen (ältere Männer) gucken so griesgrämig, dass ich froh bin, dass sie nicht anhalten. Dafür fahren sie ganz langsam an mir vorüber und glotzen mich neugierig-verständnislos an. Mit der Szenerie können sie offensichtlich nicht umgehen. Eine trampende Frau mit Rollkoffer gibt es in ihrer Welt bzw. ihrer Vorstellung von der Welt offensichtlich nicht. Sie schauen, als ob sie mich für eine Fata Morgana halten.
Mir fällt der Spruch von Kurt Cobain ein: „Sie lachen über mich, weil ich anders bin. Ich lache über sie, weil sie alle gleich sind.“ (Wobei ich natürlich weiß, dass Menschen niemals gleich sind).
Die Sonne scheint so schön vom knallblauen Himmel, die Greifvögel kreisen über den Wiesen, und ich höre die Eichelhäher und die Schwarzspechte rufen. Ich freue mich, dass ich noch ein bisschen Bewegung und Sonne abbekomme. Autos kommen eine ganze Weile keine vorbei. Aber ich bin trotzdem sicher, dass früher oder später jemand anhält und mich mitnehmen wird. Das sagt mir meine Erfahrung.
Letztes Mal bin ich hier mit einem jungen Mann gefahren, der Computerspiel-Add-Ons entwickelt. Da ich ja früher auch Computerspiele entwickelt habe, waren wir gleich in ein Fachgespräch verwickelt. Ich finde es immer interessant, zufällig mit wildfremden Menschen ins Gespräch zu kommen. Man lernt immer etwas dazu oder erweitert seinen Horizont.
Die Straße, mein Weg. Es ist eine einspurige Straße, die eigentlich als Fahrradweg angelegt wurde.
Erst hinten im Wald, der auf dem Foto von links nach rechts führt, nach ca. vier Kilometern Fußweg ab unserem Haus, hält ein jemand an und nimmt mich mit. Es ist eine junge Frau, die sehr freundlich aussieht (und es auch ist). Ich merke natürlich, dass sie es total seltsam findet, dass ich hier trampe, und auch ein wenig misstrauisch ist. Aber sie lässt mich einsteigen, und wir kommen gleich in ein total nettes Gespräch. Wir finden nach kurzer Zeit Gemeinsamkeiten. Sie fährt mich sogar direkt zum Bahnhof, obwohl sie da gar nicht vorbei muss. Ich komme schließlich 40 Minuten vor Abfahrt meines Zuges am Bahnhof an.
Auf dem Bahnhofs-Vorplatz sind freundliche Menschen damit beschäftigt, Ostereier für ukrainische Geflüchtete herzustellen. Es gibt hier eine Freiwilligen-Truppe, die Geflüchtete willkommen heißt und ihnen mit Rat und Tat, Verpflegung und Getränk zur Seite steht. Ich erkundige mich nach ihren Erfahrungen. Wir kommen ins Gespräch, und schließlich helfe ich ein bisschen bei den Ostereiern mit.
Mein Zug kommt pünktlich; vor lauter Gequatsche mit den netten Menschen verpasse ich ihn fast und muss am Schluss schnell zum Gleis rennen.
Zu Hause ist das Hallo groß. Ich war acht Nächte lang weg. Hunde, Kinder und Mann stürmen auf mich zu und buhlen um Umarmung. Bis alle sich beruhigt haben (vor allem die Hunde) und mich auspacken lassen, vergeht fast eine halbe Stunde.
Trotz der wunderschönen Alleine-Zeit auf dem Land freue ich mich, wieder hier zu sein. Ich habe sie natürlich auch vermisst.
Zum Abendbrot hole ich Pizza. Weil ich ja schon seit 5:30 Uhr wach bin, geh ich mit den Kindern ins Bett.
Um 21 Uhr steh ich nochmal kurz auf, um mit dem Mann draußen in der Wohnanlage den Vollmond am Himmel zu erhaschen, aber er ist nirgends zu sehen. Ist halt die Stadt. Und ich bin zu müde, in den Mauerpark zu gehen, wo man den Mond sicher sehen kann. Also wieder in die warmen Federn, noch ein bisschen Kichern mit der großen Tochter. Dann ab in die Träume.
Sonntag, der 17. April 2022 (Ostersonntag)
Ich freue mich am Morgen: Die Schneeball-Hortensien vor dem Küchenfenster sind schon grün. Endlich, endlich ist es Frühling.
Neues Leben wird sicht- und fühlbar.
Neue Chancen. Chancen auf Veränderung, Neubeginn, Licht.
Das Licht der Sonne durchdringt das frische Grün.
Ich packe ein Päckchen auf, das hier angekommen ist, während ich fort war. Und wie freue ich mich: Es ist ein Buch, das ich mir fast gekauft hätte, weil ich es so schön finde. Maria von Mariengold Puppen hat es mir geschickt, weil sie auf Instagram bei der einen Autorin meine Begeisterung über das Buch mitbekommen hat. DANKE! Mein Ostergeschenk!
Die Kinder suchen im Garten Ostereier. Hier die große Tochter im Woll-Poncho.
Osterfrühstück.
Ich liebe rote Eier. Sie sind so schön unterschiedlich rausgekommen, weil ich manche mit Zwiebelschalen vorgefärbt habe.
Die Hasen sind flache Brötchen, keine Kekse. Sie sind viel größer, als es auf dem Bild aussieht. Sie sind fast doppelt so lang wie die Eier und ungefähr so dick wie zwei Toastscheiben.
Nach dem Mittagessen geht es schon wieder auf Reisen: Ich bringe die kleine Tochter mit dem Zug zur Omi nach Stuttgart, wo sie für ein Woche mit ihrer Cousine bleiben wird. Hier gehen wir durch den Mauerpark zur Straßenbahnhaltestelle, um zum Hauptbahnhof zu fahren.
Ein bisschen Bewegung, bevor wir sieben Stunden im ICE sitzen. Dort sitze ich noch, während ich dies schreibe, und muss zum Schluss kommen, weil die Tochter sich langweilt und mit mir ein bisschen auf und ab gehen will.
Am Dienstag fahre ich allein wieder nach Berlin zurück. Für die letzten Osterferien-Tage fahre ich mit der großen Tochter nach Rom. Yesss. Italien, Süden, Sonne, Kultur und Mama-Tochter-Zeit. Das ist ein guter Start nach meiner kleinen Auferstehung, der mir hoffentlich nochmal neuen Schwung geben wird.
Die Berichte von den Osterwochenenden anderer Familien findest Du hier, bei Große Köpfe.
Frohe Ostern und vielen Dank für den schönen Text und die Bilder
Toll, dass dich jemand zum Bahnhof mitgenommen hat. Ich wäre nicht so mutig gewesen. Ich bin dazu noch ein schrecklicher Planmensch.
Dir eine schöne Zeit in Stuttgart und in Rom. LG Tanja
Ich habe auch gern einen sicheren Plan. 🙂 Aber aus Erfahrung wusste ich, dass es immer klappt. Mit seltsamen Menschen oder komischen Autos fahre ich natürlich nicht mit – meist nur bei Frauen, und ich simse das Auto-Kennzeichen auch direkt an meinen Mann. Außerdem hätte ja mein Mann mich abgeholt, wenn alle Stricke gerissen wären. Also fühlte ich mich sicher und guter Dinge. Es wird in der Gesellschaft auch stark übertrieben, wie gefährlich Trampen ist. Auf jeden Fall in dieser Gegend, da rechnet niemand mit Trampern. Ist ja auch ein bisschen aus der Mode gekommen.
Dir nachträglich auch noch frohe Ostern, liebe Tanja!