Bei der Abschiedsrunde sind Tränen geflossen. Als wir zwölf puppenmachverliebten Frauen die Puppen-Landpartie im Kreis Revue passieren ließen, waren die meisten so bewegt, dass wir Taschentücher brauchten. Glücklicherweise konnte eine Teilnehmerin allen anderen mit Taschentüchern aushelfen…
Wer genau wissen möchte, was wir alle zusammen erlebt haben auf der ersten Landpartie, darf sich den langen Text zu Gemüte führen und erfahren, wie wir uns gegenseitig geholfen haben zu erblühen. Wer nicht so viel Zeit hat, findet unter dem Text viele, viele bunte Fotos.
Vier Tage in vollkommenem geistigem, seelischem und körperlichem Wohl
Viereinhalb glückliche Tage liegen hinter uns, in denen wir zwölf Landpartie-Teilnehmerinnen wie wild Puppen und Puppenkleider genäht, gequatscht, gelacht, geweint, die Natur des Hohen Fläming genossen und unglaublich lecker gegessen haben. Unsere Gastgeber von der Unterkunft, Douglas und Ulrike vom Refugium Hoher Fläming, haben uns die ganzen Tage über liebevoll bekocht und für allerbestes leibliches Wohl gesorgt (danke, danke, danke dafür!). Unser geistiges und kreatives Wohl hatten hingebungsvoll unsere unvergleichlichen Kursleiterinnen Maria von Mariengold und Laura von 1000 Rehe in Blick und Herz, die, wie viele sicher wissen, zu diesem besonderen Puppenkurs auf dem Lande eingeladen hatten. Unser seelisches Wohl haben wir aber nicht nur dem Puppenmachen zu verdanken, sondern auch einander: unserer wunderbaren temporären Gemeinschaft von puppennähverliebten Frauen.
Erblühen in Gemeinschaft
Ich sitze gerade im Zug auf der Heimreise und bin noch ganz überwältigt von all den Eindrücken des Seminars. Gerade habe ich mich von der letzten Teilnehmerin verabschiedet, die mich zum Bahnhof gefahren hat. Ich fühle mich wie eine aufgeblühte Rose, ja, wie eine der schönen Heckenrosen, die im Garten des Seminarhauses wuchsen. Wie eine Blume, die in den letzten Tagen so viel Nahrung und Sonne bekommen hat, dass sie jetzt voll blühen und andere mit ihrer hinzu gewonnenen Kraft und Schönheit erfreuen kann.
Und wir alle sind erblüht. Und wir haben mit unseren Puppen neue Knospen zum Leben angelegt. Denn jede von uns hat eine oder zwei Puppen genäht, die alle zauberhaft und einzigartig geworden sind (Bilder von den Puppen ganz unten). Die Puppen sind sich zum Teil gar nicht ähnlich, und doch sind sie alle nach Marias Schnitten entstanden. Unter uns waren Anfängerinnen und Fortgeschrittene; alle außer einer Teilnehmerin hatten aber bereits eine oder mehrere Puppen genäht, die meisten in einem Kurs von Maria. Wir alle haben Kleines und Großes in punkto Puppenhandwerk und Nähtechniken dazu gelernt (ich sage nur: Die Entdeckung des Belegs! :-). Aber die wichtigste Erfahrung und Nahrung für unsere Blüte lag an anderer Stelle. Wir alle sind Mütter; die meisten von uns haben kleine Kinder, und fast alle sind mit dem Kurs zum ersten Mal seit längerer Zeit dem turbulenten Familienalltag entflohen, der ja auch heutzutage zum Großteil von uns Müttern gewuppt wird. Am ersten Tag trafen zwölf müde Mütter zusammen, die sich darauf freuten, einmal ganz in Ruhe und mit Zeit für sich selbst etwas Schönes mit den Händen zu erschaffen: Puppen nach Waldorfart, die meisten für ihre Kinder oder Patenkinder, manche für sich selbst und ganz wenige (noch) ohne klaren Adressaten.
Erholung vom hektischen Familienalltag
Die vier Tage in der Ruhe der Natur, ohne das pulsierende Beben und Saugen der energetischen Großstadt im Hintergrund, und ohne die vielen kleinen Unterbrechungen durch Kind und Kegel, Arbeit und Alltagskram, Verpflichtungen und Verführungen waren für uns alle pure Erholung. Dazu noch ohne Hemmungen tage- und nächtelang durchnähen und werkeln zu dürfen, war für uns alle der totale Gipfel des Vergnügens. Außerdem bekocht zu werden und nicht einkaufen, putzen, aufräumen, waschen, telefonieren, helfen, in Bett bringen und organisieren zu müssen, was für ein Luxus! Diesen Luxus haben wir in Gemeinschaft ganz bewusst genossen. Ich fand es total erleichternd und schön zu spüren, dass es auch anderen so geht. Dass ich nicht die einzige bin, die sich glücklich schätzt, mal ganz für sich etwas Schönes zu machen. Das hat meiner „seelischen Blütenknospe“ schon am zweiten Tag eine Portion Kraft zum Erblühen gegeben.
Die Wieder-Entdeckung der Geduld
Außerdem haben wir die Zeit wieder neu entdeckt. Maria und Laura hatten das Kursprogramm ganz bewusst locker gestaltet; für das Nähen einer Puppe hatten wir theoretisch vier Tage Zeit. Ausgiebige Pausen (Mittagsschlaf!) und Wohlfühlinseln (Naturkosmetik, Spaziergang, Hörspiel-Genuss) waren ins Programm eingebaut. Die Idee, dass wir uns nicht gestresst fühlen sollten, ist aufgegangen. Ungeduld ist heutzutage sicherlich eine Untugend vieler Menschen (ich stehe da ganz an vorderster Front). Weil Maria immer wieder darauf achtete, dass durch das entzerrte Programm absolut kein Druck auf unser Arbeitstempo entstand, entdeckten wir, dass es nichts ausmacht zu warten, dass man auch im langsamen Tempo zum Ziel kommt, ja, dass geduldig sein nicht unerträglich ist. Eine Teilnehmerin sagte in der Abschiedsrunde, die Entdeckung der Geduld sei das Wichtigste, das sie vom Seminar mit nach Hause nehme.
Lachen, Weinen und Erzählen
Und was haben wir gequatscht und gelacht! Wie nahe sind wir uns gekommen! Da keine von uns den konkreten Alltag der anderen teilt, wir aber als eher „alternative“ Mütter und Puppennäherinnen doch irgendwie auf der gleichen Wellenlänge liegen, egal ob aus Niederbayern oder Dresden, Berlin-Mitte oder Basel, Mannheim oder Münster, entstand schnell eine ganz ungewöhnliche Vertrautheit unter uns Frauen. Was haben wir einander alles anvertraut, manchmal in der vollen Runde, manchmal von Frau zu Frau: Fiese Trennungen, untreue Ehemänner, Krankheiten, plötzlich reich gewordene Eltern und was das mit sich bringen kann, Kinder mit Behinderungen, das Zusammenleben mit geflüchteten Familien aus Kriesenregionen der Erde, die Tücken und Segen der professionellen Puppenmacherei, emotionale Verletzungen und Heilungen aller Art, erkenntnisreiche Reise-Erlebnisse mit und ohne Kinder, die großen und kleinen Hindernisse als arbeitende Mutter, Umwelt, Politik, Kulinarik und Religion – es gab kaum ein Themengebiet, das wir nicht gestreift hätten. Manche von uns konnten sich ganz frei und unbewertet einmal etwas von der Seele reden – die freundliche, wohlwollende Anteilnahme der anderen (und an den absurden, schrägen Stellen ein wunderbares, herzliches, lautes Lachen unserer fröhlichsten Kursteilnehmerin!) war allen sicher, egal, worum es ging. Das hat uns alle genährt und gestärkt.
Nähen und Werkeln im Hochgenuss
Ich glaube, ganz besonders genossen haben wir alle die „freie Nähwerkstatt“ – also eigentlich die Freizeit, die man auch mit einem Buch im Garten oder bei einem Spaziergang hätte verbringen können. Aber in fast jeder freien Minute, die wir hatten, trafen wir uns in größerer Runde im Kursraum, um Puppenkleider zu nähen, Arbeitsschritte nachzuholen oder an unseren zweiten Puppen zu arbeiten (die die meisten noch fertig stellen konnten). Manche haben wie im glücklichen Wahn ein Puppenkleid nach dem anderen genäht, Kragen gestickt, Schühchen gehäkelt oder Mäntel gestrickt. Denn manche hatten durch kleine Kinder einen regelrechten Näh-Entzug hinter sich. Es war so wundervoll, einfach ohne Unterbrechung durch Kinder und Alltagspflichten nähen, nähen und immer weiter nähen zu können! Und wie wir uns gegenseitig ausgeholfen haben – wenn eine einmal nicht weiterwusste oder ein Handwerkszeug fehlte, immer war sofort ein Hilfsangebot zur Stelle. Ganz besonders profitiert haben wir von der Super-Ausstattung unserer bayerischen Teilnehmerin, die alles dabei hatte, was das Puppenmacherinnen-Herz begehrt, vom elastischen Nähgarn bis zur Nähmaschine. Echtes Fachwissen hatte eine andere Teilnehmerin auf Lager, die Schneidermeisterin war und einfach ALLE Näh-Tricks kannte. So haben wir miteinander und voneinander gelernt und zusammen wunderschöne Puppen und wunderschöne Puppenkleidung genäht. Gemeinsam haben wir uns gegenseitig zum Blühen gebracht.
Unsere Engel Maria und Laura
Eins ist klar: Die Anleitung durch unsere Kursleiterinnen Maria und Laura (die ganz selbstverständlich immer mitten unter uns saßen), war so angenehm und erfrischend, so natürlich und hingebungsvoll, dass wir alle jederzeit das Gefühl hatten, Teil eines ganz wundervollen kreativen Prozesses zu sein. Ihre manchmal spontan vor uns verabredete Arbeitsaufteilung, ihre aufmerksame, immer freundliche, konstruktive Kritik, ihre tollen Tipps, ihre menschliche, manchmal fast weise Ausstrahlung und die Sicherheit, ihrer Erfahrung mit Puppen und Puppenmacherei jederzeit voll vertrauen zu können, taten so gut und waren einfach anbetungswürdig! Es ist den beiden gelungen, uns allen zu jeder Zeit ein gutes Gefühl mit unserer Arbeit zu geben, so unterschiedlich wir und unsere Puppen auch wurden. Es fühlte sich für unsere kreativen Blüten so an, als ob sie mit einem ganz besonders guten biologischen Dünger begossen wurden, wenn Maria oder Laura sich um uns kümmerten oder mit Rat und Tat weiterhalfen.
Und am Ende sind wir alle aufgeblüht. Als wir in der Abschiedsrunde zusammen saßen und jede von uns nochmal erzählte, was für ein Wesen da mit ihren Händen entstanden war, wer die Puppe bald in Händen halten dürfe und was ihr noch auf der Seele lag, spürte ich bei jeder Teilnehmerin, dass bei ihr eine oder mehrere Blüten aufgeblüht waren. Ich sah die wunderschönen Puppen und fühlte die Blüten, die aufgeknospt waren in den Seelen. In meiner und in der meiner Co-Kurslerinnen. Einen schöneren Rosenstrauch könnte ich mir nicht vorstellen: Wir sind alle zusammen in Gemeinschaft kreativ, geistig und seelisch erblüht. Und wir haben Knospen für neues Leben angelegt mit den Puppen, die wir geschaffen haben.
Danke, Maria und Laura, dass Ihr es uns ermöglicht habt zu erblühen!
So, und nun noch ganz ganz viele Fotos von der Landpartie:
Und was natürlich nicht fehlen darf: Unsere Puppen!! Bitte verzeiht, wenn ich nicht alle Puppen fotografiert habe, dann war einfach nur keine Gelegenheit.
Danke an alle Teilnehmerinnen und natürlich an Laura und Maria für dieses tolle Erlebnis! Ihr rockt alle!
Hier geht’s zu Marias Artikel zur Landpartie auf mariengold.net
Und hier zu Lauras Artikel auf 1000Rehe.de
PS: Ich plane für 2018 einen Puppenkurs in einem idyllischen kleinen Landhaus mitten in der Natur ca. 1,5 Stunden nördlich von Berlin, wo wir an 2,5 Tagen in Ruhe eine Puppe nähen wollen. Außerdem wollen wir draußen sein, am Feuer sitzen, singen, in den Sternenhimmel schauen, den Tönen der Natur lauschen und natürlich ganz viel zusammen werkeln und nähen. Wer Interesse hat, schreibe mir eine e-mail an maike@feinslieb.net. Sollte es Herbst werden, bis der Kurs zustande kommt, werkeln wir drinnen und lassen es uns von den Holzöfen im Haus richtig warm machen.
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