Die Natur tut der großstadtgeschundenen Seele wohl. Wir waren in unserem Haus auf dem Land und haben das ganze lange Himmelfahrts-Wochenende die Ruhe, die Düfte, die Farben und die Glut der Natur genossen. Von Donnerstag bis Freitag hatten wir lieben Besuch, Samstag und Sonntag genossen wir die Ruhe hier ganz in unserem Rhythmus.
Als Gedicht habe ich für dieses Wochenende die „Waldesnacht“ von Paul Heyse ausgewählt, die ja von Brahms sehr romantisch-gefühlig vierstimmig vertont wurde. Wir singen das Stück gerade im Chor (das Singen hat mich am Mittwoch gleich mal heiser gemacht, weil ich leicht erkältet war). Der Waldspaziergang am Samstag Abend hatte auf mich genau die Wirkung, die Heyse in seinen Worten ein wenig schwülstig beschreibt. Ich nehme an, Brahms ist eines Abends gequält von der unerfüllten Liebe zu Clara Schumann im Wald spazieren gegangen und hat sich dabei seinem Schmerz und der süß-bitteren Wonne des Liebesleidens hingegeben.
Waldesnacht, du wunderkühle,
Die ich tausend Male grüß‘,
Nach dem lauten Weltgewühle,
O wie ist dein Rauschen süß!
Träumerisch die müden Glieder
Berg‘ ich weich ins Moos,
Und mir ist, als würd‘ ich wieder
All der irren Qualen los.
Fernes Flötenlied, vertöne,
Das ein weites Sehnen rührt,
Die Gedanken in die schöne,
Ach! missgönte Ferne führt.
Laß die Waldesnacht mich wiegen,
Stillen jede Pein! Und ein seliges Genügen
Saug‘ ich mit den Düften ein.
In den heimlich engen Kreisen,
Wird dir wohl, du wildes Herz,
Und ein Friede schwebt mit leisen
Flügelschlägen niederwärts.
Singet, holde Vögellieder,
Mich in Schlummer sacht!
Irre Qualen, löst euch wieder;
Wildes Herz, nun gute Nacht!
Samstag, den 1. Juni 2019
Morgenspaziergang auf dem Grundstück mit Natureindrücken der Jahreszeit. So ein zartes, kleines Blümchen. Leider hat die Tochter es abgepflückt. Aber es sind glücklicherweise noch Tausende davon da.
Unsere geliebte Linde hinterm Haus hat hell- und dunkelgrüne Blätter.
Hinterm Haus blüht jetzt der Schneeball. Interessant, in Berlin ist unser Schneeball schon seit zwei Wochen komplett verblüht, hier, etwas weiter nordöstlich, ist er gerade im schönsten Stadium:
Die kleine Tochter ist im Schlafanzug zum Morgenspaziergang mitgekommen und hüpft auf der Wiese am Grundstücksende in die Luft. Es duftet so gut und wir sind so wunderbar ausgeschlafen, obwohl es erst 7:00 Uhr ist. Da ist’s gut, sich der Sonne entgegen zu recken.
Der Mohn blüht schon.
Ein junger Zapfen hat sich an der großen Lärche gebildet.
Auf den Eichenblättern liegt noch Tau.
Wir gehen Maiwipferl/Fichtenspitzen/Fichtenschößlinge sammeln, weil ich Hustensirup kochen will. Eigentlich ist’s schon ein bisschen zu spät dafür, aber wir finden noch einige sehr junge Triebe an den Fichten.
Die kleine Tochter macht Schattenspiele. Am Tag zuvor hat sie genau hier mit dem Besuchskind gespielt. Als sie mitten im Spiel waren, kam plötzlich ein Hirsch mit Geweih aus dem Dickicht gebrochen. Die beiden kleinen Mädchen erschraken total und fingen an zu schreien. Da machte der Hirsch kehrt und ging zurück in den Wald…. Vielleicht verarbeitet sie dieses Erlebnis hiermit.
Auf dem Rückweg zum Haus kommen wir an diesem Ameisenhaufen vorbei. Einer von so vielen hier auf den Grundstücken ringsum.
Vor unserem Haus blüht die Wildrosenhecke aufs Allerschönste. Und sie duftet so fein. ich wünschte, ich könnte Euch den Duft hinüberschicken, er ist so süß und betörend, das kriegt kein Parfum der Welt hin.
Die große Tochter macht draußen einen Plätzchenteig. Wir tun ja immer einen Schuss Weißweinessig in den Mürbteig, ein Trick meiner badischen Oma, die exzellent kochen und backen konnte.
Die kleine Tochter ist am späten Nachmittag schon müde und braucht Kuschelung. Unseren Kindern tut Rückenkratzen immer sehr gut, wenn sie sich nicht ganz wohl fühlen oder runterkommen müssen.
Die kleine Tochter ist so müde, dass wir ihr hinten auf dem Gras eine Matratze ausbreiten und sie dort ein wenig ruhen kann. Wir Erwachsenen genießen einen Crémant und lesen, die große Tochter lässt sich vom Papa Spotify erklären.
Die große Tochter macht es sich schließlich mit Buch und Musik in der wilden Wiese im Vorgarten gemütlich. Sie hat sich ihre erste Playlist auf Spotify angelegt, ganz nach ihren Wünschen und Spotifys Empfehlungen, und hört mit Papas Handy.
Nach dem Abendessen bekommt die kleine müde Tochter nochmal Energie und bereitet aus Blütenblättern verschiedener Blumen Zaubermittel zu. Die wirft sie dann mit Zaubersprüchen in die Luft und lässt sie herunter rieseln.
Mein Mann bringt die kleine Tochter ins Bett. Ich gehe mit der Großen und dem Hund nochmal in den Wald, der direkt gegenüber vom Haus liegt. Die Tochter findet gleich nach ein paar Metern ein Einhorn aus Holz. Wir denken uns eine Geschichte aus, wie dieses Einhorn in den Wald gekommen ist und was es damit auf sich hat.
Nach ein paar hundert Metern ziehen wir die Schuhe aus, denn der Boden ist sandig, trocken und warm. Es ist wunderbar, barfuß zu gehen. Wir machen das so oft wie möglich, weil’s so schön ist und weil es so gesund ist, für die Füße, für die Haltung und überhaupt fürs Wohlgefühl.
Der Hund findet eine tote Maus und beschnuppert sie interessiert. Aber er lässt sie liegen; vielleicht ist sie schon zu alt. Es sind schon Ameisen dran.
Der Sandweg ist so schön, dass die Tochter sich hinsetzt und sich wahrscheinlich fast so gern gewälzt hätte wie der Hund. Sie genießt die Abendstimmung und die Elemente mit jedem ihrer Sinne.
Ruhige Abendstimmung im Wald wie bei Brahms/Heyse.
Ein Hirschkäfer auf dem Weg:
Unser Haus am anderen Ende der Waldwiese.
Die Tochter rennt über die Wiese nach Hause.
Das Kind badet noch und wäscht sich die Haare. Mein Mann macht sich derweil einen schönen Abend ganz nach seinem Geschmack: Musik hören, dazu ein Glas Rotwein genießen und dabei die Pflanzen gießen. Wir wollen doch, dass hier üppig Wildblumen sprießen und nicht nur Trockenzeugs.
Sonntag, der 2. Juni 2019
Vorlesen am Morgen: Heute mal wieder „Wazn teez?“, eins unserer Lieblingsbücher hier, dann noch Geschichten aus dem Fuchswald.
Weil die große Tochter so vom Spaziergang gestern Abend geschwärmt hat, will die kleine Tochter auch allein mit mir spazieren gehen. Sie nimmt das Fernglas mit.
Auch die kleine Tochter findet Schätze: Eine scharfe Messerklinge und eine durchsichtigen Stein….
Und einen Hasen. Auch zu dem Hasen denken wir uns eine Geschichte aus – was macht er hier im Wald? Weil das einen so großen Spaß macht und das Kind total beflügelt, will ich das als „Glücksmoment für Familien“ auf Hans Natur verbloggen.
Sie findet noch eine Feder von einem Eichelhäher:
Zu Hause dann machen Mann und Kinder die alten, gebrauchten Fahrräder frühlingsfit. Die große Tochter entfernt rostige Stellen mit einer Drahtbürste:
Ich widme mich derweil der Verarbeitung von Spitzwegerich. Ich mache Hustensirup aus den Fichtenwipferl von gestern und aus dem Spitzwegerich, der auf unserer Wildwiese im Vorgarten en masse zu finden ist. Außerdem bereite ich einen Spitzwegerich-Spinat zu, mit Zwiebeln, Knoblauch und Sahne. Der schmeckt leider ein wenig bitter, aber OK.
Es ist heiß (fast 30°C!), und wir fahren an den See. Nicht ohne Drama, denn ein Kind will auf keinen Fall mit, aber es will auch nicht zu Hause bleiben. Drei von vier von uns wollen unbedingt an den See, und so fahren wir trotz großem Protests des einen Kinds. Das Kind schließt sich notgedrungen, aber super sauer an. (Sie war deswegen so sauer, weil sie hungrig war, stellen wir später fest…).
Der Hund schwimmt hier zum ersten Mal. Er kann es sofort. Leider haben wir keine Badesachen hier, die müssen wir nächstes Mal mitbringen. Aber wir alle gehen wenigstens mit den Beinen ins Wasser. Auch das Kind, das vorher nicht mit wollte.
Am Kassenhäuschen des Strandbades, das heute nicht besetzt ist:
Und ich kann Euch nur raten, tut genau das. Das Leben ist kurz, und wir sollten versuchen, jeden Moment zu genießen. Und uns das Leben so einzurichten, dass wir viel Zeit für Genuss und Lachen haben. Ich denke, wir sollten keine Energie auf schlechte Laune, Neid und Missgunst verschwenden. Die wirklich schlechtesten Wegbegleiter im Leben sind meiner Meinung nach Angst (vor „Terroristen“, „Räubern“, bösen Menschen, Neuem, Anderem…), Neid, Missgunst, Schielen auf die Nachbarn und Sich-mit-anderen-vergleichen. Denn die Gefahr, einem Verbrechen zum Opfer zu fallen, sind lächerlich gering, und jeder Mensch ist einzigartig und braucht andere Dinge. Jeder ist in diesem Land ist frei, sich sein Glück zu schmieden, auch Menschen mit wenig bis keinem Geld. Das Gold der anderen glänzt natürlich immer besonders stark; lasst Euch bitte nicht davon beeindrucken, wenn Euch das Leben anderer Menschen besser, toller, lebenswerter oder glücklicher vorkommt. Auch bei diesen Menschen gibt es Schattenseiten, von denen Ihr keine Ahnung habt. Findet heraus, was EUCH wichtig ist, und dann versucht, Eure Träume zu verwirklichen. Und dazu muss man immer anderes aufgeben, oft Dinge, die die Norm der Gesellschaft vorgibt und von denen man denkt „das müsse doch wohl so sein“.
Ich habe oft in meinem Leben umdisponiert und bin andere Wege gegangen als vorgegeben waren, weil ich spürte, dass es nicht die meinen waren. Und ich bin immer gut damit gefahren. Mir war es immer hilfreich, keine Angst zu haben vor Unbekanntem, Fremdem (im Gegenteil, das habe ich immer gesucht und dadurch nur Bereicherung erfahren). Ich mache mir nicht durch Angst mein Leben schwer. Und an Materielles hänge ich nicht mein Herz.
Vor mir liegt eine arbeitsreiche Woche mit vielen Terminen, auch einem, der mir große Angst und Sorge machen könnte, wenn ich nicht so optimistisch wäre. Und andere, die Vorblicke in eine noch nicht ganz vorstellbare Zukunft eines aktuellen Projektes sind, das mit meiner anderen Tätigkeit als Autorin/Storytelling Expertin zu tun hat.
Ich wünsche auch Euch immer neue Herausforderungen auf Eurem Weg, auf dass Ihr immer Möglichkeiten erhaltet, Euch neu zu entwickeln und Euch zu schärfen an den Herausforderungen des Lebens. Und ich wünsche Euch, dass Ihr Ängste besiegen lernt. Ängste sind ja nichts Schlechtes, wenn sie einen nicht davon abhalten, neue Wege zu gehen. Diese Woche habe ich bei Ruth vom Kompass gelesen: „Mut ist nicht ohne Angst. Mut ist MIT Angst.“ So ist es.
Mehr Wochenenden in Bildern findet Ihr auf dem Elternblog Große Köpfe.
Eine gute Woche wünscht Euch
Eure Maike
Das klingt so schön! Dem Sohn muss ich auch immer Rücken kratzen . Euch eine gute Woche! LG, Friederike
Liebe Friederike, danke Dir. Ja, Rückenkratzen, das mögen meine Kinder sehr gern, auch zum Einschlafen. Ich übrigens auch 🙂 Auch Euch eine gute Woche!
Liebe Maike, der Artikel beim Kompass über Angst und Mut interessiert mich. Ich hab ihn aber nicht gefunden. Kannst du ihn noch verlinken – oder den Link hier posten? Danke!
Liebe Waltraut, das stand in einem von Ruths Newslettern, deswegen kann ich es leider nicht verlinken. Ich leite Dir den Text gleich per e-mail weiter, OK? Liebe Grüße, Maike