Am Samstag wurde unsere Tochter eingeschult. Als Puppenmacherin war es mir natürlich eine Ehre und ein Bedürfnis, ein Püppchen zu diesem großen Ereignis zu gestalten. Die Transformation des Kindergartenkindes zum schulreifen Kind ist für ein Kind ja eine „Entpuppung“ im wahrsten Sinne des Wortes. Die Raupe wird symbolisch gesprochen in dieser Transformation zum Schmetterling. Dieses Thema schrie natürlich förmlich nach einer Puppe.
In unserem Kindergarten spielen die Kinder zum Abschied vor dem Schulanfang das Puppenspiel „Die kleine Raupe Blau“, das die Transformation vom Kindergartenkind zum Schulkind (und jegliche Verwandlung) für die Kinder (be)greifbar macht. Unsere Tochter hat das Puppenspiel am Abschiedstag so wunderschön gespielt, dass ich zu Tränen gerührt war. Ihre selbst gestalteten Schmetterlinge und ihre blaue Raupe hütet sie in ihrer Schachtel seitdem wie einen Schatz.
Deswegen wollte ich meiner Tochter unbedingt ein Schmetterlings-Püppchen machen, das sich vom Schmetterling aber auch in ein Puppenmädchen verwandeln kann. Ich hatte noch einen kleinen Puppenkopf mit Torso, aus dem einmal ein kleines Baby-Schlamperpüppchen entstehen sollte (aber dann nicht mehr wollte). An diesen Torso habe ich nun schmale, „feingliedrige“ Ärmchen und Beinchen angenäht, um dem zarten Wesen der Schmetterlinge gerecht zu werden.
Die Haare sind aus feinster, dünnster weißer Mohair-Wolle. Ich habe sie in lange Zöpfe geflochten, damit sie ein wenig an den Schmetterlings-Rüssel erinnern. An das Kleid kann man mit Klettband Flügel anheften, oder sie eben abnehmen, wenn man will, wie auch das gehäkelte Fühler-Käppchen. So wird aus dem Schmetterling im Handumdrehen ein kleines, zartes Mädchen…
… das nur so groß wie ein Pinsel ist!
Offensichtlich war ein Schmetterling ganz genau das passende Symbol für unser Kind: Als sich die Tochter drei Tage vor dem Schulanfang mittags auf dem Sofa in die Sofadecke wickelte (genau wie eine Raupe, die sich „verpuppt“!) und dann den Kopf nach hinten auf die weiche Lehne sinken ließ, verrenkte sie sich den Nacken und konnte den Kopf nicht mehr drehen. Es tat wohl auch sehr weh. Es waren wohl auch die Aufregung und ein intuitiv verspürtes Ruhebedürfnis „vor dem Sturm“, denn sie schlief nach dem ersten Schmerz erstmal drei Stunden lang und war dann die nächsten zwei Tage wie krank. Ihr Nacken, ja der ganze Schulterbereich taten weh. Sie lag viel im Bett, spielte ruhige Spiele und wollte kaum rausgehen. Und ich konnte es kaum glauben, als ich ein paar Tage später die Bilder ansah, die sie in der Zeit gemalt hatte: Schmetterlinge mit Gesichtern!
Am Morgen der Einschulung dann reckte und streckte sie sich, und die Schmerzen waren fort! Die Überwindung der Nackenschmerzen war die letzte „Entfaltung“ oder Transformation der verpuppten Raupe zum Schmetterling. Unsere Tochter hatte sozusagen die letzte Haut des Kindergartenkindes abgestreift. Und fröhlich, voller Kraft und „mit Schmackes“ beging das sonst eher zarte, zurückhaltende Kind ihren neuen Lebensabschnitt. Was für eine Freude!
Und ich freue mich riesig, dass das Schmetterlingspüppchen als Symbol so perfekt zu dieser Geschichte passt!
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